BGH Beschluss zur Kosten bei Räumungen

Informationen und Meinungsaustausch zur Mobiliarvollstreckung, zur Parteizustellung und zum Kostenwesen.

Moderator: Petra Bausch

Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Guten Morgen zusammen,

ich finde die Erörterung in Sachen Vermieterpfandrecht grundsätzlich recht informativ.

Ich frage mich jedoch, warum ich den Eindruck gewinne, daß Sie die säumigen Schuldner als Opfer anmaßend handelnder Vermieter betrachten, die emotionalen Reaktionen auf das erwähnte BGH-Urteil nicht nachvollziehen können bzw. über M?

Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, wer denn heutzutage angesichts der von der Rechtsprechung aufgezeigten Tendenzen noch gerne vermietet und bereit ist, unzählige Risiken in Kauf zu nehmen zugunsten einer Rendite, die im günstigsten Fall diejenige einer im Vergleich sichereren zehnjährigen Bundesanleihe erreicht? Ich kenne keinen.

Dabei muß es nicht schwer fallen, vertragliche Pflichten einzuhalten, was eigentlich moralisch betrachtet eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit sein sollte. Lassen Sie sich bitte einmal von Personen, die Hausdurchsuchungen durchgeführt haben darüber berichten, in welchen Verhältnissen Schuldner teilweise leben, dann mögen Sie Ihre Ansichten gewiß revidieren. Bereits 1999 erfuhr von Rechnungen für Internetzugang von 130 Euro monatlich, also zu einer Zeit, wo es noch keine sog. Flatrate gab. Weitere Beispiele erspare ich mir an dieser Stelle.

Würden Sie gegenüber denjenigen Schuldnern, die gleichgültig über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse leben, Mitleid erbringen?

Würden Sie Vermietern zugestehen, auch denjenigen Schuldnern, die ohne Eigenverschulden in finanzielle Not geraten sind, zu kündigen, weil diese die Miete nicht mehr bezahlen können? Vermieter haben eigene Verpflichtungen, die sie zu erfüllen gedenken - bspw. an die Bank zu entrichtende Schuldzinsen, für deren Begleichung die Mieten fest einkalkuliert sein könnten.

Würden Sie Ihren eigenen Mietern bei vorhandenen Mietrückständen tatenlos zugestehen, weiterhin auf Ihre Kosten Wasser, Strom, Gas, etc. zu beziehen?

Angesichts der bekannten marginalen Erfolgsquoten in der zivilprozeßlichen Vollstreckung kann ich die emotionalen Reaktionen der Vermieter auf das erwähnte BGH-Urteil aus 11/2005 nachvollziehen.

Ich bin gespannt auf Ihre Antworten.

Freundliche Grüße

Silberpfeil
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Wir wollen doch erstens einmal davon ausgehen, dass nach 32 Jahren enger eigener Tätigkeit im GV Wesen und engster zusammenarbeit mit vielen Beteiligten der ZWV bekannt ist, in welchen Verhältnissen Schuldner zuweilen leben und welche Schockzustände den Vermieter zuweilen erwarten, wenn er anl. der Räumung seine Wohnung sieht.


Zweitens aber wollen wir nicht vergessen, in welchem naiven Vakkum zuweilen Vermieter vermieten um jeden Preis an den nächstbesten Bewerber, ohne die notwendige Vorsicht walten zu lassen - der GV soll dann hinterher die KAstanien -möglichst kostenlos- aus dem Feuer holen.

Drittens ist die Frage keine solche des Schuldnerschutzes, sondern der formellen ZPO und des BGB.

Und deshalb bleibt zunächst öffen, ob das Vermieterpfandrecht so vorbehaltlos wie es der BGH mE -ohne die Auswirkungen zu bedenken- darstellt, auch an Unpfändbaren Sachen entsteht. Das wirft ja die gesamte Unpfandbarkeitsregel über den Haufen und ist mE nicht begründet.

Ferner ist es nicht Sache des GV, sich hier zu engagieren, aber die Konsequenzen aus der Entscheidung hat er zu bedenken und -nicht nur- die Interessen des Gl. wahrzunehmen. Er ist nicht dessen Erfüllungsgehilfe, sondern Organ der Zwangsvollstreckung.

Und es sollte nicht dem Boten der Regel (dem GV) angelastet werden, wenn Gerichte solche Entscheidungen fällen. ABer er wird sich zu eigener Sicherheit (839 BGB) wohl kaum irgendwelchen Ansprüchen aussetzen und demgem. auch den Schuldner darauf hinweisen -müssen-, wie er seine Ansprüche vor dem Termin geltend macht.

Und für sozial- und Schulderfreundliche Gesetze (es sind ja Wählerstimmen) kann der GV schließlich auch nichts.

Abschließen ist auch der Vollstreckungserfolgt nur partiär und zu geringem Teil dem GV anzulasten, zuweilen liegt es schon am Antrag und Verhalten des Gl. selbst und -wie so oft- an realitätsfremden Eingriffen von GV Dienstaufsicht oder vom Gesetzgeber.

Es gäbe viele Möglichkeiten, erfolgreicher zu vollstrecken,
aber dazu muss man dem GV auch das Handwerkszeug geben.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Vielen Dank für Ihre rasche Antwort, zu der ich gerne ergänzend ausführen möchte:

Ihren einleitenden Ausführungen ("erstens") folgend gehe ich sicherlich recht in der Annahme, daß Sie in Ihrer langjährigen Berufspraxis Schuldnern begegnet sein werden, die eindeutig und völlig unbegründet über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse leben - angefangen bei Handynutzung gegenüber Analog-Festnetzanschluß, weitergeführt über das kostspielige Halten ein oder mehrerer größerer Haustiere, usw.

Zu "zweitens" meinen Sie gewiß mit naivem Vakuum das von der Rechtsprechung geschaffene Rechtsvakuum, in dem Vermietern aufgezwungen wird, machtlos zuzusehen, wie säumige Mieter unsanktioniert nach Tageslaune schalten und walten.

Ich glaube weniger, daß die überwiegende Zahl der Vermieter nicht die erforderliche Sorgfalt bei der Auswahl der Mieter walten lassen, sondern eher, daß eine Kaution von wenigen Monatsmieten in Verbindung mit schnellebigen Veränderungen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen schnell zu einem Vermieterrisiko führen können.

Meinen Ausführungen kann und soll nicht entnommen werden, daß ich den Gerichtsvollziehern hierfür irgendetwas anlasten möchte, denn für die Rechtsprechungstendenzen können Sie nichts (Ihr Punkt "drittens"). Andererseits ist die Freude seitens der Vermieter nachvollziehbar, wenn ihre Position nach langer Zeit ein wenig gestärkt wird.

Ich glaube ein Gläubiger hat naturgemäß wenig Interesse an den unpfändbaren Gegenständen. Was mag die Verwertung eines fünf Jahre alten Fernsehers nach Zeitaufwand und Abzug aller Kosten bringen, wo ein Neugerät bereits für rund 150 Euro erhältlich ist. Ich sehe hier vielmehr die Parallele, zu der Sie mir wohl zustimmen werden, daß Gläubiger mit der Pfändung von Girokonten oftmals Erfolg haben, selbst wenn diese weitreichend überzogen sind. Ursächlich hierfür ist der erzielte psychologische Effekt und die damit verbundenen Folgekonsequenzen. Genauso wird der Schuldner psychologisch bedingt ein stärkeres Interesse an der Begleichung seiner Rückstände haben, wenn sein gesamtes Habe gepfändet ist.

Die Unpfändbarkeitsregel wird überhaupt nicht "über den Haufen geworfen" - diese geht ja bekanntlich über diesen speziellen Fall weit hinaus.

Ich glaube, daß kein Gläubiger von dem von ihm beauftragten Gerichtsvollzieher verlangt, daß dieser sich über bestehende Gesetze hinwegsetzen soll. Ihr Recht, sich nicht selbst einer Gesetzesverletzung strafbar zu machen, ist nachvollziehbar. Allerdings gehen meines Erachtens Hinweise an das Sozialamt wie "insoweit wären Sie als Sozialbehörde zu Lasten des Haushalts mehr als bisher gefordert." weit darüber hinaus und sind unangebracht.

Wenn ich die erforderlichen Detaildaten zur Verfügung hätte, würde ich gerne interessehalber einmal berechnen, ob unter den heutigen Rahmenbedingungen ein Wohnungsleerstand nach Steuern vorteilhafter wäre gegenüber einer vermieteten Wohnung - insbesondere eingedenk aller Zeit- und Kostenaufwendungen.

Über Ihre Ideen, Rückstände erfolgreicher beizutreiben, würde ich gerne näheres erfahren.

Freundliche Grüße

Silberpfeil
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Sehr geehrter Herr/Frau Silberpfeil
Sie haben recht, aber in der Sache leider nichts verstanden.
Aus meiner Sicht nach 25 Jahren Tätigkeit als Gerichtsvollzieher kann es nicht rechtens sein, wenn ich den Schuldner mit seiner Familie mit dem was sie am Leibe hat, auf die Straße setzen muss.
Nach den Ausführungen des BGH ist es dem Gerichtsvollzieher bei der Räumung verwehrt, dem Schuldner und seiner Familie die Bekleidung und die persönlichen Sachen mitzugeben wenn der Gbg. "an allen Sachen" ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht hat.
Der "schwarze Peter" wird hier in der Tat wieder den Kommunen und den Sozialbehörden zugeschoben.
Außerdem vermisse ich eine konkrete Auseinandersetzung mit § 885Abs.2 ZPO, wonach der GV bei der Räumung dem Schuldner die unpfändbaren Sache zu übergeben sind. Diese Vorschrift wurde bisher auch gegen das Vermieterpfandrecht durchgesetzt, was im Ergebnis rechtens war, aber nun der Vergangenheit angehören soll. Informieren Sie sich doch bitte einmal was am Hausrat eines typischen Schuldnerhaushaltes an pfändbaren Sache vorhanden ist, dann werden Sie merken dass man hier wieder einmal "das Kind mit dem Bad ausgeschüttet hat." Dem Gläubiger selbst hat man auch einen Bärendienst erwiesen, denn er kann die Sache nicht einfach behalten oder entsorgen. Unterm Strich kann es diesen leicht teuerer kommen als eine richtige Räumung.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Guten Abend Herr Huber,

wie darf ich denn nun diesen Satz verstehen "Sie haben recht, aber in der Sache leider nichts verstanden."? Ein klares "Jein"?

Gestatten Sie mir, Ihrer beider Argumentation nicht zu folgen, hier meine Berufspraxis in die Waagschale zu legen, denn letztlich sind die hier erörterten Lebenssachverhalte die Grundlage der Fakten.

Ihre Reaktionen auf das Urteil kann ich ja durchaus nachvollziehen. Mein Anliegen war es lediglich, die recht einseitige Auslegung dahingehend und bezogen auf die Ausgangssituation zu beleuchten, warum sich die Vermieter über eine seit langem erstmalige Stärkung ihrer Position freuen könnten und welche Vorteile sich für Vermieter aus der aktuellen Rechtsprechung ableiten lassen.

Würden Sie mir wiedersprechen, wenn ich folgenden Ansatz überlege:

Schuldner hoffen durch häufigen Wohnortwechsel auf Vollstreckungsaufschub. Der Vermieter registriert den Kündigungswunsch des säumigen Mieters zunächst ohne weitere Konsequenzen. Er bestätigt lediglich die Kündigung des Mieters. Zum Zeitpunkt des vereinbarten Umzugs spielt er den psychologischen Trumpf aus, dessen rechtliche Grundlage ihm nun gegeben ist. Er nimmt im Rahmen der Übergabeverhandlung die Schlüssel in Besitz und überreicht dem Schuldner im selben Augenblick die Geltendmachung des vollständigen Vermieterpfandrechts - meines Erachtens mit sofortiger Wirkung möglich. Ich ziehe gerne noch einmal den Vergleich zum Girokonto: Eine Freitagmittag zugestellte Kontenpfändung selbst eines tiefroten Kontos führt dennoch nicht selten zur Rückstandstilgung am darauffolgenden Montag! Auch wenn die Kontenpfändung ein Thema sein mag, von dem ich mir vorstellen kann, daß Sie dies aus mir verständlichen Gründen nicht gerne behandeln möchten, so ist es nachgewiesenermaßen ein recht effektives Instrument, das primäre Ziel zu erreichen: Dem Schuldner das zu nehmen, was ihm nicht zusteht zugunsten des Anspruchsberechtigten.

Jetzt können wir gerne gemeinsam weiterüberlegen, welche Möglichkeiten dem Schuldner in der von mir geschilderten Umzugssituation offenbleiben.

Auch bin ich gerne an einer Erörterung der von Ihnen angesprochenen Volllstreckungsmöglichkeiten interessiert, wenn Ihnen das dazu erforderliche "Handwerkzeug" bereitgestellt wird.

Freundliche Grüße

Silberpfeil
Theo Seip
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Beitrag von Theo Seip »

Der BGH hat hinsichtlich des Vermieterpfandrechts rechtsdogmatisch entschieden. Er räumt dem Vermieterpfandrecht den Vorrang ein vor der Amtspflicht des Gerichtsvollziehers, die Habe des Schuldners gem. § 885 Abs. 2 ZPO aus der Wohnung zu schaffen und kommt zu dem Ergebnis, dass es nicht zu den Aufgaben des Gerichtsvollziehers gehört, hier von Amts wegen einzugreifen. Das hat der Gerichtsvollzieher zu beachten.

Nach § 562 Abs. 1 S. 2 BGB erstreckt sich das Vermieterpfandrecht nicht auf Sachen, die der Pfändung nicht unterliegen. Was unpfändbar ist, richtet sich nach §§ 811, 812, 803 Abs. 2 ZPO. Ein Vermieter, der auch an den unpfändbaren Sachen des Schuldners Vermieterpfandrecht geltend macht, begeht eindeutig Rechtsmissbrauch. Der Schuldner nebst Familie steht erst einmal mittellos auf der Straße und muss u. U. durch die Ordnungsbehörde auf Kosten der Allgemeinheit untergebracht werden. Dem Gerichtsvollzieher wird hier eine widerwärtige Aufgabe zugemutet. Der Gläubiger, der so handelt, will letztlich mit derartigen Maßnahmen nur erreichen, dass er für die Räumungskosten (Spediteur) nicht in Vorlage treten muss. Er will den oft mittellosen Schuldner geradezu erpressen, sein Mobiliar und seine sonstigen Sachen selbst abzutransportieren. An den meist wertlosen Sachen als Pfand kann er ernstlich kein Interesse haben. Wenn der Schuldner Rechtsschutz in Anspruch nimmt, muss er sie herausgeben und die Kosten tragen. Mit dem Hinweis auf ein unredliches Verhalten des Schuldners lässt sich ein derartiges Vorgehen nicht rechtfertigen.

Die Verantwortung für die weitere Entwicklung liegt zunächst bei den Vermietern bzw. den Gläubigern. Machen diese von ihrem Vermieterpfandrecht rechtswidrigen Gebrauch, so dass die öffentliche Hand und die Gerichte vermehrt in Anspruch genommen werden müssen, käme wohl eine Ergänzung des § 885 Abs. 2 ZPO dahin in Betracht, dass der Gerichtsvollzieher bei einer von ihm durchzuführenden Räumung dem Schuldner stets die Gegenstände übergibt, die nach dem Gesetz unpfändbar sind. Diese Entscheidung obliegt dem Gerichtsvollzieher auch bei Erledigung eines Pfändungsauftrages.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Sehr geehrter Herr Seip,

mit Ihren Anmerkungen bestätigen Sie abermals meinen Eindruck, daß Schuldner hier weitgehend als Opfer betrachtet werden.

Schade, daß wohl kein Gerichtsvollzieher Vermieter zu sein scheint, auf deren Argumente wäre ich sehr gespannt. Ist aber auch kein Wunder bei den Erfahrungen, die der Vollstreckungsdienst mit sich bringt.

Ich möchte ganz deutlich werden: Nur diejenigen Schuldner verdienen mein Mitleid, die unverschuldet - bspw. durch Betrug - in Not geraten sind. Ich weiß allerdings, daß dies ein verschwindend geringer Anteil der Vollstreckungsklientel ist. Hier kann ich im Übrigen berichten, daß der Ablauf einer Vollstreckung überwiegend in ganz anderen, geordneten Bahnen verläuft. Unverschuldet in Not geratene Schuldner versuchen im Rahmen des ihnen möglichen Kosten zu reduzieren und mit offenen Karten zu spielen. Vergleichen Sie dies bitte mit der überwiegenden "Klientel", die meint, auf Kosten Dritter über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse leben zu dürfen und Ihnen vorsätzlich, selbst bei der EV dreist ins Gesicht lügt! Vergessen Sie bitte ebenfalls nicht, daß es keinem Vermieter Spaß machen dürfte, Vollstreckung zu betreiben. Zeit und nicht einforderbare Kosten werden nicht erstattet!

Auch möchte ich - bitte vollkommen wertfrei - anmerken, daß nicht wenige Vermieter die jüngste Rechtsprechung als Rechtfertigung dafür erkennen könnten, daß sie alternativ zu der Beauftragung eines Gerichtsvollziehers, dem sie wenig Erfolgschancen einräumen, ein eigenes - wie hier immer erwähnt - "Handwerkzeug" erhalten haben, Druck auf den Schuldner auszuüben. Ich bin überrascht über die hier vorherrschende Einschätzung, höchstrichterliche Rechtsprechung zu verkennen und die daraus resultierenden Handhabungen von Vermietern als rechtsmißbräuchlich zu bewerten. Daß die Rechtsprechung mit den Interessen der Gerichtsvollzieher kollidiert, ist weitreichend erörtert, es sollte aber nicht Ursache und Wirkung verkannt werden.

Vielleicht mag es Ihnen in Ihrem Rechtsempfinden im Spannungsverhältnis Mieter / Vermieter behilflich sein, daß nachhaltig niedriges Baugeld doch viele gereizt hat, Wohneigentum zu erwerben, die sich der damit verbundenen Risiken überhaupt nicht bewußt sind und finanziell scheitern müssen. Ich glaube spätestens derjenige Gerichtsvollzieher, der als Wohnungseigentümer am eigenen Leib miterleben durfte, wie "Miteigentümer" (reell betrachtet sind es originäre Mieter, die ins Eigentum gelockt wurden) auf Kosten der Gemeinschaft Wasser, Strom, etc. beziehen, wird eine andere Haltung als die hier vorherrschende vertreten.

Interessant ist, daß auf mein entwickeltes Beispiel bisher überhaupt nicht eingegangen wurde. Hierbei geht es darum, das in Rede stehende Urteil analog und ohne Räumungsauftrag anzuwenden. Ihre Antwort bezieht sich leider nicht auf dieses Beispiel - ich würde mich freuen, wenn Sie und gerne auch andere dies nachholen würden. Sollte sich der Bedarf einmal ergeben, werde ich einzelfallbezogen die Erfolgschancen einer Anwendung prüfen und diese mit dem betroffenen Gläubiger erörtern.

Es wäre doch meines Erachtens zielführend, die aktuelle Rechtsprechung (die sich gewiß auch irgendwann einmal wieder aktualisieren könnte) anzuerkennen und zu überlegen, ob man ihr etwas positives abgewinnen kann. Dabei ist mir bewußt, daß - allgemein und nicht auf dieses Urteil allein bezogen - der langfristige Erfolg einer Verbesserung der Zahlungsmoral aus Sicht der Vollstreckungsorgane als kontraproduktiv empfunden werden könnte.

Dennoch sollte sich jeder, der sich für den Vollstreckungsdienst entschieden hat, dies im Bewußtsein getan haben, daß sich hierbei auch Umstände ereignen, die für manchen als recht unangenehm empfunden werden können, aber zur Erzielung des berechtigten und auch erwarteten Ergebnisses vorgeschrieben und unumgänglich sind.

Freundliche Grüße

Silberpfeil
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

ES macht wenig sinn, sich über das Lamento eines betroffenen Gläubigers weiterhin Gedanken zu machen, der

einerseits nicht wahrzuhaben willig scheint, dass der GV nicht Handlanger von Gläubigerinteressen sondern rechtsstaatliches Organ der Zwangsvollstreckung ist, das der Beachtung von Rechtsnormen und -sprechung unterworfen ist. Der GV ist nicht tauglich, Methoden diverser Inkassofirmen .-die ständig im Fernsehen auftreten oder der Ermittlungen beschuldigt werden- oder RussenInkassoMethoden zu ersetuen.

zweitens anstelle sein Lamento zu prdigen bei der Vermietung die gebotene Sorgfalt walten zu lassen (dann wäre vieles vermieden)

drittens vor allem das Gewicht der Wohnungswirtschaft wahrzunehmen und in der Politik für Gesetze zu sorgen, die diese Schuldnerschutznormen eben nicht so hoch ansetzen als geglaubt. Dies scheint aber nicht zu gelingen, deshalb ist der GV nun dafür verantwortlich.


im übrigen und auch das wird -offenbar realitätsresistent -verkannt:

der GV hat durchaus für die interesssen und den seelischen Zustand des Gl. in den geschilderten Extremfällen Verständnis hat. Doch dem Verständnis sind dem GV gesetzliche Grenzen gesetzt. Ebenso gilt dies für die Frage "wie weit gehört Mitleid" zum Beruf oder "werden Schuldner als Opfer betrachtet". Niemand kommt auf die absurde Idee, das Verbraucherinsolvenzverfahren mit all seinen unverständlichen Folgen dem GV ursächlich in der Verantowortung zuzuordnen.


Auch deshalb ist eine Zwangsräumung f.d. GV zuweilen eine erhöhter Streßfaktor f.d. GV und eine erhöhter Aufwand rundum, dennoch zählt das JuMi diesen Auftrag wi einen ZWV Teilauftrag zu 50 € statistisch gleich. Unertrgliich wird der Streß erst dann, wenn der Gläubiger selbst durch seine Ansichten, Verhalten, Begehren oder -scheinbar- naiven Anträge das noch kompliziert. Pfarrer-Vermeiter und Lehrer-Vermieter haben sich in der hies. Praxis (3 GV in der Familie, 1000 im Kundenkreis, 25 Jahre Erfahrung http://www.gv-stamm.de und eigene GV Erfahrung) hierbei als besonders notorisch uneinsichtig aber schon ungesetzlich hart erwiesen.-
Dabei sind beide Berufsstände -wie allgemein bekannt- völlig Normale Berufsgruppen.


Und zur Frage der Lüge:
es gibt hinreichend Fälle, in denen nachweisbar auch Kläger und Klägervertreter "dreist lügen" um ihre Klage zu begründen.
Ich denke, dass von meiner Seite die Sache selbst und auch -hier an die falsche Adresse gerichtete-


Vorurteile hinreichend behandelt wurden.
Theo Seip
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Beitrag von Theo Seip »

Sehr geehrte/r Herr/Frau Silberpfeil,
der BGH hat in seiner Entscheidung klar zum Ausdruck gebracht, dass es rechtswidrig ist, wenn der Vermieter an unpfändbaren Gegenständen Vermieterpfandrecht geltend macht und dass der Gerichtsvollzieher in einem solchen Fall dem Schuldner Gelegenheit geben soll, hiergegen Rechtsschutz einzuholen. Da kann oder muss ggf. zur einstweiligen Aufhebung des Räumungstermins führen.

Ein einsichtiger Vermieter wird so nicht verfahren, aber bei uneinsichtigen Vermietern wäre es schon sachgerecht, dem Gerichtsvollzieher hier ein Entscheidungsrecht einzuräumen, das er ja bei der Pfändungsvollstreckung auch ausübt. Das hat nichts mit Mitleid zu tun, sondern mit der Frage nach Recht und Unrecht.

Materiell-rechtliche Fragen müssen hierbei ja nicht geprüft werden. Es geht dabei nicht um die Frage, ob ein rechtsgültiger Mietvertrag vorliegt, ob die Sachen vom Mieter eingebracht wurden, ob sie dessen Eigentum sind, ob die Forderung des Vermieters ihn zur Ausübung des Vermieterpfandrechts berechtigt usw. (alles ausführlich dargelegt von Burkhardt in DGVZ 1958, S. 81-85), Es geht nur um die Frage, ob der Vermieter Gegenstände festhalten will, die ganz eindeutig nicht der Pfändung unterliegen.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Nach Lektüre der Entscheidung ist trotz der Grundentscheidung des BGH - einer fehlenden Prüfkompetenz des Gerichtsvollziehers betreffend die Wirksamkeit und Reichweite des Vermieterpfandrechts - auf die Aufschiebemöglichkeit der Räumung/Herausgabe nach § 765 a Absätze 1 und 2 ZPO (Rz. 16 der Entscheidung) hinzuweisen.
Zumindest diesbezüglich wird dem Gerichtsvollzieher die Beurteilung von offensichtlich unpfändbaren beweglichen Sachen belassen.
Der gut beratene Gläubiger wird angesichts dessen auch weiterhin einen Vorschuss zahlen und vor Ort diejenigen Gegenstände bezeichnen, an denen er ein Pfandrecht geltend macht.

Güße aus Bochum
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