BGH Beschluss zur Kosten bei Räumungen

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Moderator: Petra Bausch

Anonymous

Kosten bei Räumungen - Antwort

Beitrag von Anonymous »

@Theo Seip
Mein Nachsatz bezog sich darauf, dass dieser Beschluss in der Presse sowie Vermieter- und Hausverwalterforen euphorisch begrüßt und als das grundsätzliche Ende von Räumungskosten und -vorschüssen bezeichnet wurde (das dem so nicht ist, weiss ich auch) und zwar noch bevor der Beschluss überhaupt publik war. Es war zu diesem Zeitpunkt bereits anzunehmen, dass darauf die üblichen frustrierenden Auseinandersetzungen zwischen Gläubiger und Gerichtsvollzieher folgen und genau aus diesem Grund nahm ich auch ein allgemeines Interesse an dem Beschluss aus dem Kreise der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher an.

@JosefStamm
Ich wüsste nicht, wie man einen Kommentar wie

"Es empfiehlt sich schon, auch beim BGH das Urteil einschl. Sachverhalt komplett zu lesen und nicht unvorbehalten pauschaliert zu übernehmen. Auch beim BGH ergehen Entscheidungen, die nur für bestimmte Bereiche anwendbar sind und anwendbar sein können.
Ausgelöst durch den allseits bekannten Juristenfehler, himmelhochjauchzend Absatz 1 einer Norm zu lesen, Denken und lesen dann schon aufzuhören, wenn diese Fundstelle in das erhoffte Schema passt und dann augenaufreißend auf den Boden der Tatsachen aufzuschlagen, wenn man nur weitergelesen und -gedacht hätte. "


mißverstehen sollte. Statt sich der Diskussion zu stellen und die realen Folgefragen zu stellen oder praktikabel zu lösen, die sich an eine Entscheidung (und zwar ganz gleich ob vom AG Witzenhausen oder vom BGH) knüpfen, begrüßen sie neue Threads mit schäumender Emotionalität und einer grundsätzlichen Feststellung des Intelligenzstatus' aller Beteiligten. Das hilft niemanden.
Theo Seip
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Beitrag von Theo Seip »

Heft Nr. 20 der NJW enthält auf den Seiten 1396-1395 eine Abhandlung der Richterin am AG Dr. Beate Flatow, Kiel, die sich mit der Entscheidung des BGH vom 17.11.2005 zum Vermieterpfandrecht im Rahmen einer Zwangsräumung (DGVZ 2006, S. 23) kritisch auseinandersetzt. Die Verfasserin kommt u. a. zu dem Ergebnis, dass es keine Beschränkung der Räumungsvollstreckung darstellt, wenn der Gläubiger in seinem Räumungsauftrag verlangt, lediglich den Schuldner nebst Angehörigen aus der Wohnung zu befördern, da in diesem Falle vielmehr eine durch den Titel nicht gedeckte Ausweitung des Vollstreckungsanspruchs erfolge, weil damit die Herausgabe der Wohnung und der gesamten beweglichen Habe des Schuldners, auch soweit sie dem Vermieterpfandrecht nicht unterliege, verlangt werde. Es wird weiter darauf verwiesen, dass nach § 885 Abs. 3 S. 2 ZPO der Gerichtsvollzieher unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, auf Verlangen des Schuldners ohne weiteres herauszugeben hat. Diese Bestimmung sei bei ihrer Einfügung in BT-Dr. 13/341 ausdrücklich als soziale Schutzvorschrift gesehen worden, die es dem Gläubiger verwehren sollte, zur Deckung seiner Kosten auf unpfändbare Sachen des Schuldners, die den Schutzbestimmungen des § 811, 803 ZPO unterfallen, zuzugreifen. Die Ausübung des Vermieterpfandrechts auf unpfändbare Sachen durch den Gläubiger wird als rechtswidrige Ausnutzung einer formellen Rechtsposition gesehen. Insoweit entspricht die Abhandlung inhaltlich weitgehend der Anmerkung in DGVZ 2006, S. 25-26, die mehr auf die praktische Umsetzung der BGH-Entscheidung gerichtet ist.
Anonymous

AW: BGH Beschluss zur Kosten bei Räumungen

Beitrag von Anonymous »

[quote="OGV Huber"]@Herde
ZITAT:Mit welchem rechtlichen Argument kann ein Gerichtsvollzieher die Bearbeitung eines Räumungsauftrages von der Zahlung des Vorschusses abhängig machen, wenn der Gläubiger ein Vermieterpfandrecht an den zu räumenden Mobilien (aka normale Haushaltseinrichtung) geltend macht ?

§ 4 GvKostG wird durch den Beschluss nicht ausgehebelt.:

Zitat Ende.


Meine Anmerkung und Fragen:
1.
Das sieht der BGH m.E. anders. Am Ende des Beschlusses heißt es unter II.4:
"Für die ausschließlich auf Herausgabe gerichtete Zwangsvollstreckung, zu deren isolierter Durchführung die Gerichtsvollzieherin verpflichtet ist, kann sie einen Vorschuss für Kosten des Abtransports der Möbel nicht verlangen"

2.
Frage an alle- die ich aus Sicht der Vermieter (V) für das zentrale Problem halte:
Wie lange muss der GL/V die unpfändbaren Sachen verwahren, wenn der SCH/M unbekannt verzogen ist und der V sich der Sachen nicht nach den Vorschriften über die der Verwertung hinterlegungsunfähiger Sachen - § 383 BGB - legal entledigt wissen will. 1235 BGB gilt ja nur für das rechtmäßige "Pfand". Immer fallen da weitere Kosten an.

- Der Herausgabeanspruch des M verjährt ja nach 195 BGB nach 30 Jahren.
- 19 HintO (31 Jahre) passt ja nur gegenüber der Hinterlegunsstelle.
- Die 2 Monate nach § 885 IV ZPO gelten ja nur für den GVZ.
- Entsorgung als Geschäftsführung ohne Auftrag im mutmaßlichen Willen des M?

Kurzum: Wie lange müssten die V die Sachen einlagern?
Eine Einlagerung für 30+ Jahre ist für die V nicht zumutbar. Mir kommt eine aus Treu und Glauben beschränkende Frist auf 3 Moante (wie gesetzliche Kündigungsfrsit) bis ca. 6 Monate (rein willkürlich) in den Sinn. Je wertvoller, desto länger, je mehr Sachen, desto kürzer.

Dagegen spricht aber, dass die V den (steinigen) Weg über 383 BGB offen steht, um sich der Sachen legal zu entledigen. Dann bliebe als rechtlich sauberer Weg nur die Verwahrung beim V für 30 Jahren...

In der Praxis werden die V, wenn der M abgehauen ist, daher die Sachen dokumentieren, entsorgen und etwaige Schadensersatzansprüche (für V alles protkollierter Sperrmüll, für M sein wertvolles Zuhause...) abwarten, kalkulieren. und aussitzen...

3.
Rechtsgrundlage für die Einschaltung der sozialen Leistungsträger? §§ 29 SGB XII und 22 SGB II - Kosten der Unterkunft - passen für den Umzug auf Staatskosten nach vorheriger Zusicherung doch nicht wirklich im Wege der Berliner Räumung, wenn der Mieter auf der Straße sitzt und SozAmt/ARGE den Umzug bezahlen soll. Scheinen sie im Rahmen ihres "Ermessens" aber wohl zu machen - nur halt irgendwie ohne Rechtsgrundlage?
Anonymous

AW: BGH Beschluss zur Kosten bei Räumungen

Beitrag von Anonymous »

Vermieters Pfandrecht wird zum Bumerang
Vermieter sollten beachten, dass sich die Ausübung des Vermieterpfandrechts manchmal auch nachteilig auswirken kann. Dies teilt unter Hinweis auf ein Urteil des Berliner Kammergerichts (Az. 8 U 144/04) die Quelle Bausparkasse mit.
Ein Vermieter kündigte seinem Mieter wegen erheblicher Mietrückstände den Vertrag fristlos und übte am vorhandenen Inventar sein Vermieterpfandrecht aus. Auch verlangte er die Räumung. Dem kam der Mieter nach. Er räumte das Mietobjekt mit Ausnahme der Sachen, die dem Vermieterpfandrecht unterlagen.
Die Räumungsklage des Vermieters sowie sein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für den Zeitraum, in dem eine Weitervermietung der Räume wegen der zurückgelassenen Gegenstände nicht möglich war, wies das Berliner Gericht jedoch als unbegründet ab. Es sei rechtlich gar nicht mehr möglich, ein Mietobjekt zu räumen, wenn der Vermieter an allen Sachen sein Vermieterpfandrecht ausgeübt habe.
© Berliner Morgenpost 2006
Anonymous

AW: BGH Beschluss zur Kosten bei Räumungen

Beitrag von Anonymous »

Kunibert hat geschrieben:[quote="OGV
Das sieht der BGH m.E. anders. Am Ende des Beschlusses heißt es unter II.4:
[color="Blue""]"Für die ausschließlich auf Herausgabe gerichtete Zwangsvollstreckung, zu deren isolierter Durchführung die Gerichtsvollzieherin verpflichtet ist, kann sie einen Vorschuss für Kosten des Abtransports der Möbel nicht verlangen"
Der Kostenvorschuss des Gerichtsvollziehers für die Räumung wird nicht nur für den Abtransport der Möbel verlangt. Macht der Glbg. an allen Sache ein Vermieterpfandrecht geltend, kann der Vorschuss natürlich zu reduziert werden.
Dies hat jedoch zur Folge daß die Räumungvollstreckung mangels Transportmittel einzustellen ist, wenn der Schuldner am Räumungstermin einen richterlichen Beschluss präsentiert, der ihm die Mitnahme seiner unpfändbaren Sachen gestattet. Wir sollten nicht vergessen, daß i.D.R. bei Schudnerhaushalten 99%
des Inventars unpfändbar ist.
Anonymous

AW: BGH Kosten bei Räumungen Vernichtung Nicht einlagerungsfähige Sache Amtshaftung

Beitrag von Anonymous »

Amtshaftung bei Vernichtung verschmutzter Sachen ohne vorherige Einzelprüfung mit Mundschutz und Handschuhen

Räumung Essen Müll Kleidung 070830 (pdf)
Aus GV2000 entnommen
http://20398.rapidforum.com/topic=100171153972

Sachverhalt:
Der Gerichtsvollzieher terminiert eine Räumung, findet in der Wohnung Sachen vor, die zwar unpfändbar aber einlagerungsfähig vor, lagert diese zur Verwertung bei Nichtabholung nach zwei Monaten ordnungsgemäß ein. Er findet aber auch Kleidung und Wäsche vor, die verdreckt und verschmutzt war. Der Spediteur ist nach den bundeseinh SpedBed befugt, solche Einlagerungen abzulehnen. Der GV hat –dem Recht des 885 IV ZPO folgend- die nicht einlagerungsfähigen Sachen sofort zur Vernichtung freigegeben.
Der Schuldneranwalt erhebt Schadensersatzansprüche iHv 1813 €, der Dienstherr billilgt im Rahmen des § 839 BGB aus Amtshaftung einen Betrag von 300 € zu, stellt allerdings nur wegen der Unerfahrenheit des „jungen“ GV noch keine „grobe Fahrlässigkeit“ fest.
PräsAG Essen 3133 E 2.110.8 v 24.8.07
Die Begründung ist lesenswert, die Entfernung der Darstellung von Realität und Praxis ist nicht mehr nachvollziehbar, sie ist beängstigend, wenn man ansatzweise nur die Folgen hieraus abzuschätzen beginnt.

Eine Bewertung dazu, nicht ganz empörungsfrei oder der Realitätsresistenz der Dienstaufsicht ujnd des Fiskus in der Bewertung des Amtshaftungsanspruchs
Von © JosefKStamm, Dipl.Rechtspfleger FH u vorm JI als GV.

885 IV 2 ZPO spricht –eben nur- von „grundsätzlich“, weil die Macher der Norm offenbar einen höheren Weitblick habe als die Wirklichkeitsfremde Darstellung in den gegenständlichen Begründungen für die Amthaftung es offenbar zu tun in der Lage waren. Wie sonst kann man bei einem Gesamteindruck der „Verschmutzung in einem nicht lagerfähigen Grad“ vom GV verlangen, jedes Kleidungsstück hochheben und detailliert prüfen zu müssen. Ein Mitverschulden des Schuldners ist allemal gegeben, denn seine persönlichen Sachen hätte er ob der rechtzeitigen Terminsmitteilung rechtzeitig für die Zukunft bereithalten können und müssen.

Die Ignoranz vor Umständen, die der GV bei Räumungen zuweilen, immer häufiger vorfindet, äußert sich in der Annahme, der GV müsse mit Handschuhen und Mundschutz arbeiten – eine Rechtsgrundlage dafür kennt der Verfasser allerdings nicht – sonst hätte er sie zitiert.


Grundsätzlich ist der Schuldner für den Zustand seiner Wohnung und damit auch für seine Kleidung und den Grad der Verschmutzung verantwortlich. Grundsätzlich sind hier nicht Kosten- (erhöhte Lagerkosten, obwohl auch dies zu beachten ist) und Zeitgründe (Mehraufwand: nicht jedes Kleidungsstück hochgehoben und begutachtet“) verantwortlich, wenn eine Einlagerung nicht erfolgt – sie kann idR gar nicht erfolgen- weil der Spediteur sich völlig zu recht unter Berufung auf seine Spediteurbedingungen (insoweit bundeseinheitlich gleich) bezieht und demnach verschmutzte und Ungeziefer auslösende Sachen gar nicht einlagerungsfähig sind.

Der liebe Dienstherr hat es dabei –ob der wohl fehlenden Vorstellungskraft- unterlassen, dem GV einen Fingerzeig zu geben, wie er sich denn dann verhalten soll. Derzeit fällt mit nach 30 Jahren Praxis nur ein, die „beim Spediteur nicht einlagerungsfähigen Sachen“ nach Einzelprüfung auf Gestank, Grad der Verschmutzung, Dokumentation der Anzahl der „schwirrenden“ Fliegen zu verpacken und einem solchen Dienstherrn in das Dienstzimmer anliefern zu lassen. Derselbe ist dann sicherlich in der Lage, die „Nichtlagerfähigkeit“ auch beweiskräftig im Sinne der Beweislage in einem Amtshaftungsprozess zu dokumentieren.und damit die „Verletzung der Untersuchungspflicht“ vermeiden.


Und das für eine erbärmliche Gebühr für fiskalische Dienstleistung und einen statistischen Wert (letzter nicht unterschieden ob „Eingangener Antrag“ und durchgeführte Räumung“ mit einer abgsurden Begründung für die Ablehnung BaySTMJ
s. Web)

Und so gerät der GV wieder einmal in das Spannungsfeld Gl – Schuldner – Dienstaufsicht, neuerdings noch in zwei Dienstaufsichtliche. Einerseits einem Direktor der Amtshaftung so absurd zubilligt und aufwendige „Kontrolle jedes Socken“ verlangt, während eben diese Dienstaufsicht es zulässt, dass die Prüfungsbeamten –mittlerweile eine „Staat im Staate“ des Rechts mit angenommenen und vermeintlich weitgehenden „Anweisungsrechten“ dann hinterher, im schlauen Kämmerlein ohne Mundschutz und Handschuhe die Sache mit dem Ergebnis in noch gesteigerter Realitätsfremde dahingehend zerpflücken wonach der Spediteur hat zuviel berechnet, der GV zuviel bewilligt habe.

Es stinkt im Staate,
keine Frage, aber Mundschutz und Handschuhe helfen dabei nichts.

Ggf hilft auch, einfach nur einmal den „Entscheider“ dieses Vorgangs zu einer Räumung mitzunehmen. Der Notarzt darf bereitstehen, denn die Feinheit seiner geschliffenen Theorie hier lässt vermuten, dass er schon bei einmal getragenen Socken umfällt wie die Fliege von der Wand, weil die ebenso feine Nase es nicht vorstellungsfähig ist, welche Verhältnisse es überhaupt gibt (es bleibt offen ob auch tote Fliegen Indiz für die sofortige Vernichtungsfähigkeit sein können und diese zu Beweiszwecken zu protokollieren sind.).

Wenn dieses Beispiel Schule macht – bei jeder Räumung rechne man mit solchen Ansprüchen – Entlastet die Kassen der Sozialämter und sichert manchem sonst erfolglosen Anwalt ein Auskommen. Insoweit hat die Sache –fast so toll wie die Gammelfleisch-Daueraffäre Schnappauf BY- wenigstens noch eine gute Seite.

Offen bleibt auch, ob und inwieweit der GV Fotos von der Wohnung überhaupt machen darf und kann, von den dafür –natürlich nicht entschädigten- Kosten reden wir derzeit noch nicht.

Es stinkt gar arg, Freunde des Rechts.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass der BGH zum Thema Vermieterpfandrecht gar eine Ausdehnung auf unpfändbare Sachen, damit auch auf nicht einlagerungsfähige „Socken“ festgestellt hat. Mehr dazu siehe : http://5376.rapidforum.com/topic=100882584812
http://www.justizforum.nrw.de/showthread.php?t=867

Der Nachteil der Intelligenz besteht darin, dass man ununterbrochen gezwungen ist, dazuzulernen
GB Shaw DNT 28.8.07
"Niemand köpft leichter als jene, die keine Köpfe haben."
Friedrich Dürrenmatt, gefunden bei
http://www.hammett-krimis.de/specials/z ... afen.shtml

Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten
Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen.
(Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg)


Eingestellt in GVBÜRO Forum
http://14775.rapidforum.com/topic=100371145946
zum Schutz der GV
In ZWV Forum
http://5376.rapidforum.com/topic=100882584812
als Information
Antworten