BGH Beschluss zur Kosten bei Räumungen

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Moderator: Petra Bausch

Anonymous

BGH Beschluss zur Kosten bei Räumungen

Beitrag von Anonymous »

Nach einem Beschluss des BGH vom 17. November 05 (I ZB 45/05) kann

"Der Gläubiger kann die Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO auf eine Herausgabe der Wohnung beschränken, wenn er an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenständen ein Vermieterpfandrecht geltend macht. Auch wenn in einem solchen Fall Streit zwischen den Parteien des Vollstreckungsverfahrens nach § 885 ZPO darüber besteht, ob alle beweglichen Sachen des Schuldners von dem Vermieterpfandrecht erfasst werden, hat der Gerichtsvollzieher nicht eine Räumung der Wohnung nach § 885 Abs. 2 bis 4 ZPO vorzunehmen.

Warum wundert es mich nicht, dass die Wohnungseigentümerverbände usw. die Entscheidung so euphorisch begrüßen....
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Und was sagen Sozialverbände und die Gerichte dazu?
Die Entscheidung ist aus meiner Sicht sehr bedenklich. Wenn man sich die Klientel der Räumungsschuldner näher betrachtet, stellt man fest: es wird zumindest einige Schuldner geben, die nicht in der Lage sein werden sich selbst um den erforderlichen Rechtsschutz zu bemühen und die so in unnötige Obdachlosigkeit gedrängt werden.
Davon abgesehen führt die Entscheidung zu einer unnötigen Mehrbelastung der Amtsgerichte, da auf diese Weise die Zahl der Anträge auf einstweilige Verfügung in die Höhe schnellen dürfte. Die Mehrkosten durch die zu bewilligende PKH dürften nicht unerheblich sein.
Und wenn sich der BGH überlegt hätte, daß ein Vermieterpfand bei Wohnraum wohl nicht hinreichend bestimmt genug ausgeübt wird, wenn es an sämtlichen im Räumungsobjekt befindlichen Gegenständen ausgeübt wird,...
Selbst wenn die Entscheidung über das Vermieterpfandrecht den Gerichten und nicht den Vollstreckungsorganen vorbehalten ist, wird jeder billig und gerecht Denkende wohl erkennen müssen, daß in dieser Fallkonstellation von einem grundsätzlich rechtsmißbräuchlich ausgeübten Vermieterpfand auszugehen ist.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

bei formell klarer Abgrenzung (Entstehung und Nacnweis des Vermieterpfandrechts) Prüfungs- und Verantwortungspflichten des GV uvm (so auch DGVZ aktuell und http://5376.rapidforum.com/topic=100882584812
sowie http://5376.rapidforum.com/topic=100880131178) wird es bei der befristeten Vorfreude der Räumungsgläubiger verbleiben

Weder die Vorschusspflicht noch die Order einer Spedition werden entfallen können.
Es verbleibt beim Grundsatz, wo kein Pfandrecht entstehen kann, kann auch ein Vermieterpfandrecht nicht entstehen.
Und im Wohnraumbereicht wird es weiterhin Bereiche geben, wo wirksam kein Pfandrecht geltend gemacht also Räumung und Lagerung durchzuführen ist.


Es empfiehlt sich schon, auch beim BGH das Urteil einschl. Sachverhalt komplett zu lesen und nicht unvorbehalten pauschaliert zu übernehmen. Auch beim BGH ergehen Entscheidungen, die nur für bestimmte Bereiche anwendbar sind und anwendbar sein können.

Ausgelöst durch den allseits bekannten Juristenfehler, himmelhochjauchzend Absatz 1 einer Norm zu lesen, Denken und lesen dann schon aufzuhören, wenn diese Fundstelle in das erhoffte Schema passt und dann augenaufreißend auf den Boden der Tatsachen aufzuschlagen, wenn man nur weitergelesen und -gedacht hätte.


Diskussion im RPfleger Forum_
http://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php?t=1303
Anonymous

BGH Beschluss

Beitrag von Anonymous »

@josefstamm
Wenn sich wieder normale Blutdruckwerte eingestellt haben, fällt möglicherweise auf, dass hier lediglich der Beschlusstenor zu Informationszwecken zitiert wurde.
Die Praktiker sind sich ihrer Verantwortung auch ohne Belehrung bewusst und lesen die Begründung. Entsprechende Anträge der Gläubiger-/Vertreter sind aber voraussichtlich nicht zu verhindern.
Theo Seip
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Beitrag von Theo Seip »

an Jule 71:

Dass Sie den Urteilstenor der BGH-Entscheidung zu Informationszwecken hier einstellen, dagegen ist nichts einzuwenden.

Aber was wollten Sie mit dem angefangenen Nachsatz.... ausdrücken?
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

genau das frage ich JULI71 auch,
niemand hat sie selbst angegriffen niemand erkennt aus einem Folgebeitrag einen solchen Angriff - und mit Blutdruck hat das nichts zu tun.

Der Hinweis auf die gesamte Entscheidung und sonst geltendes Recht 885,811 ZPO,, 1890,181 GVGA war für alle gedacht, die voreilig "die Engel singen hören" und glauben mit dem Beschluss habe sich die vorschussfreie und einfache Räumung eingeläutet.

Dass dem nicht so, wird die Praxis zeigen (und die Erfahrung).

Wie steht es mit dem vorbehaltlosen Vermieterpfandrecht des BGH-Beschlusses bei Räumung einer Anwaltskanzlei, PAtientendateien (Datenschutz, Anwaltsrecht uvm).
Nicht nur der BGH haben insoweit nichts bedacht.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Mit welchem rechtlichen Argument kann ein Gerichtsvollzieher die Bearbeitung eines Räumungsauftrages von der Zahlung des Vorschusses abhängig machen, wenn der Gläubiger ein Vermieterpfandrecht an den zu räumenden Mobilien (aka normale Haushaltseinrichtung) geltend macht ?

Mit welchem Argument kann in einem derartigen Fall ein Gerichtsvollzieher die Höhe des Vorschusses so bemesssen, dass er die voraussichtllichen Kosten für die Rämung aller Mobilien abdeckt?


Ich würde eine Beachtung des Vermieterpfandrechtes ablehnen, um aus Geldnot des Gläubigers geborene Schuldnerschikane abzulehnen. Gläubigern, die die hohen Räumungskosten fürchten, kann ich nur die Stellung einer Kaution bei Abschluss des Mietvertrages empfehlen und die Einsichtnahme in das Schuldnerverzeichnis.
Theo Seip
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Beitrag von Theo Seip »

Nach der Entscheidung des BGH vom 17.11.2005 wird der Gerichtsvollzieher das vom Gläubiger an allen in der Wohnung des Schuldners befindlichen Sachen ausgeübte Vermieterpfandrecht beachten müssen. Er kann den Gläubiger nur auf die auch für ihn negativen Folgen und auf die möglicherweise entstehenden Schadenersatzansprüche des Schuldners (evtl. Unterbringung im Hotel, Verlust oder Beschädigung von Sachen, die der Gläubiger in Besitz genommen hat) hinweisen. Der Gläubiger wird gegen Schadenersatzansprüche auch nicht etwa mit rückständiger und ohnedies uneinbringlicher Miete aufrechnen können (§ 393 BGB). Er wird die unpfändbaren Gegenstände, an denen er Vermieterpfandrecht geltend gemacht hat (in der Regel das gesamte Räumungsgut) nicht behalten können, wenn der Schuldner Rechtsschutz in Anspruch nimmt und muss sie ggf. auf eigene Kosten an den neuen Wohnsitz des Schuldeners bringen (§§ 269,861,985 BGB), da er deren Besitz durch verbotene Eigenmacht erlangt hat. Die Ausübung des Vermieterpfandrechts auch an Sachen, die der Pfändung nicht unterliegen, ist rechtsmissbräuchlich und als Angriff auf die Menschwürde zu sehen.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

@Herde
ZITAT:Mit welchem rechtlichen Argument kann ein Gerichtsvollzieher die Bearbeitung eines Räumungsauftrages von der Zahlung des Vorschusses abhängig machen, wenn der Gläubiger ein Vermieterpfandrecht an den zu räumenden Mobilien (aka normale Haushaltseinrichtung) geltend macht ?

§ 4 GvKostG wird durch den Beschluss nicht ausgehebelt.

ZITAT:
Mit welchem Argument kann in einem derartigen Fall ein Gerichtsvollzieher die Höhe des Vorschusses so bemesssen, dass er die voraussichtllichen Kosten für die Rämung aller Mobilien abdeckt?

Der Vorschuss ist (nicht nur) nach dem Beschluss des BGH an dem tatsächlichen Aufwand zu bemessen. Der Schuldner kann jedoch zum Termin einen gerichtlichen Beschluss vorlegen, der den Glübiger anweist, dem Schuldner die gesamte unpfändbare Habe herauszugeben. Das ist bei vielen Schuldnern die gesamte Wohnungseinrichtung. Ist in diesem Fall mangels Vorschuss kein Spediteur bestellt, muss ich die Räumung einstellen. Einen neuen Termin kann ich dann erst wieder nach Eingang des Vorschusses und mit Absprache einer Spediton ansetzen. Das bedeutet für den Gläubiger unter Umständen eine längere Wartezeit.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

die künftige Mitteilung an den Gläubiger -abschriftlich an die Sozialbehörde- könnte so aussehen:


-----der Text ist urheberrechlich geschützt,Weitergabe Verbreitungnu nach vorheriger Genehmigung zulässig------


Vermieterpfandrecht kann mE auch weiterhin nur an Sachen geltend gemacht werden, die gem. § 811 ZPO pfändbar sind und im Eigentum des Schuldners stehen; andere Sachen sind aus der Wohnung zu entfernen und notfalls einzulagern. Die Geltendmachung in der gesetzlich vorgesehen Form ist nicht nur zu behaupten, sondern einschlägig nachzuweisen. Eine Einlagerung der Räumungsgutes außerhalb eines von mir beauftragten Spediteurs kommt aufgrund evtl. Schadensersatzansprüchen bei Beschädigung etc. nicht in Frage. Gem. § 885 III, 1 / IV ZPO wird darauf hingewiesen, dass die eingelagerten unpfändbaren Sachen, soweit diese verwertbar sind, nach Ablauf von zwei Monaten ab Räumung verwertet werden. Der Erlös wird hinterlegt. Nicht verwertbare Sachen werden vernichtet. Ob der Erlös als Surrogat von Sachen, die der Pfändung nicht unterliegen, im Wege der Forderungspfändung pfändbar sind, ist hier nicht zu unterscheiden. Der Schuldner ist abholungsbefugt, teilweise auch ohne Pflicht, für entstandene Kosten aufzukommen.

Soweit Sie sich auch hinsichtlich unpfändbaren Gegenstände auf das -mE nur vermeintliche- vollumfassende Vermieterpfandrecht (BGH 17.11.05 - I ZB 45/05) berufen, habe ich den Schuldner vorsorglich informiert: Der Schuldner wird ggf. seine Ansprüche aus §§ 885,811 ZPO,180,181 GVGA gegen Sie gerichtlich geltend machen. Er wurde darauf hingewiesen, seine Freigabeansprüche aus dem Vermieterpfandrecht, soweit dies unpfändbare Gegenstände betrifft, gerichtlich gegen Sie als Antragsgegner geltend zu machen. Das Kostenrisiko für diese weiteren Verfahren trägt nicht der GV. Desweiteren werde ich den Termin hinreichend weit voraus planen, damit der Schuldner ausreichend Zeit hat, seine Ansprüche geltend zu machen.
Soweit sich dann ohne vorherige Zuziehung einer Spedition meiner Wahl am Terminstage herausstellt, dass doch Sachen wegzuschaffen und einzulagern sind, werde ich zur Bestimmung eines neuen Termins unter Beauftragung einer Spedition -und nach Eingang eines ausreichenden Vorschusses- den Termin absetzen. Neuer Termin wird auch dann nicht unter 6 Wochen anberaumt werden können (vorh Termine, Urlaub, Fristen).

Ggf. stelle ich die Erinnerung nach § 766 ZPO anheim.
Dabei weise ich auszugsweise auf nachstehende Rechtssprechung hin. UU ist mit Geltendmachung des Vermieterpfandrechts der Räumungsantrag nunmehr ohne Rechtsschutzbedürfnis.


(A) Kammergericht - LG Berlin 14.02.2005 8 U 144/04
Hat der Vermieter an allen in den Mieträumen befindlichen Sachen das Vermieterpfandrecht nach § 562 Abs. 1 BGB ausgeübt, entfällt die Räumungspflicht des Mieters nach § 546 Abs. 1 BGB. Ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB steht dem Vermieter in diesem Fall nicht zu.
(B) LG München I 14. Zivilkammer, Beschluß vom 30. Juni 1998, Az: 14 T 2805/98
Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Entsorgung von wertlosem Räumungsgut, das im zu räumenden Objekt verblieben ist
1. Verbleibt bei der Räumungsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher im Einvernehmen mit dem Gläubiger wertloses Räumungsgut in dem zu räumenden Objekt, so ist die Räumungsvollstreckung bereits mit der Wegschaffung der beweglichen Sachen im übrigen und der Übergabe der Räumungssache an den Gläubiger beendet.
2. Die Aufwendungen, die bei dem Gläubiger dadurch entstehen, daß er danach Unrat, Müll und wertloses Gerümpel aus den Räumen entfernen und entsorgen läßt, sind in diesem Fall auch dann keine Kosten der
Zwangsvollstreckung im Sinne von ZPO § 788 Abs 1, wenn der Gerichtsvollzieher den Gläubiger mit der Resträumung und der Entsorgung des Sperrmülls "beauftragt" hat.
(C) Gegenstände die Dritten gehören - Vermieterrisiko Drittwiderspruchsklage
Ein Vermieterpfandrecht entsteht nur an Gegenständen die im Eigentum des Schuldners stehen (§ 562 BGB). Im übrigen siehe dann §§ 1257, 1204 ff. BGB; eventuell § 805 ZPO.

(D) nachzulesen und mehr Info:
http://5376.rapidforum.com/topic=100882584812
http://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php?t=1303


und die Sozialbehörder wird wie folgt informiert:
...
Hinweis:
Zugleich weise ich darauf hin, daß für den Fall der Geltendmachung des
Vermieterpfandrechts gem. BGH v 17.11.05 (AZ: I ZB 45/05) der Gerichtsvollzieher nicht mehr befugt sein soll, dem Schuldner wenigstens die -in entsprechender Anwendung des §§ 811, 885 ZPO, 180, 181 GVG- eigentlich unpfändbaren, ja selbst persönlichen Sachen auszusondern, zu überlassen oder zur späteren Abholung einzulagern. Soweit der Schuldner nicht erreicht, bis zum Termin die Freigabe der persönlichen und unpfändbaren Habe zu erwirken, werden ihm dann auch keinerlei solcher Gegenstände zur Verfügung stehen, insoweit wären Sie als Sozialbehörde zu Lasten des Haushalts mehr als bisher gefordert.

(*): Über minderjährige Kinder ist hier bekannt geworden:
>|Kommentar|<

weitere Fundstellen:


Gespannt sein darf man auf die Antwort des BaySTMJ, dem
diese Frage umfassend bereits vorgetragen wurde.


Vermieterpfandrecht
http://5376.rapidforum.com/topic=100882584812
sowie
http://5376.rapidforum.com/topic=100880131178

Spedition
http://5376.rapidforum.com/topic=100880440544
Vorschuss
http://5376.rapidforum.com/topic=100580895601
Bereitstellungskosten
http://5376.rapidforum.com/topic=100881425163
Antworten