Ratenzahlungsvereinbarung/Einigungsgebühr Nr. 1000 VV-RVG

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Moderator: Petra Bausch

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Anonymous

Ratenzahlungsvereinbarung/Einigungsgebühr Nr. 1000 VV-RVG

Beitrag von Anonymous »

1. Eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV-RVG) nebst Auslagenpauschale entsteht bei einer im Rahmen der Zwangsvollstreckung vereinbarten Ratenzahlung nicht. Die Ratenzahlungsvereinbarung im Rahmen beseitigte weder einen Streit noch eine Ungewissheit der Vertragschließenden über ein Rechtsverhältnis.

2. Bei den Kosten der Ratenzahlungsvereinbarung handelt es sich nicht um Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 788 ZPO.

LG Bonn, Beschl. v. 06. 12. 2005, 4 T 415/05

Die Gläubigerin vollstreckt aus einem der Schuldnerin am 20.1.2004 zugestellten Vollstreckungsbescheid vom 18.12.2003.
Ausweislich ihrer im jetzigen Verfahren vorgelegten Forderungsaufstellung erwirkte sie im März 2004 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, auf den aber offenbar der Drittschuldner keine Zahlungen leistete.
Am 20.12.2004 unterzeichnete die Schuldnerin eine Ratenzahlungsvereinbarung, in der sie sich verpflichtete, den „bis heute geschuldeten Betrag, einschließlich Kosten, in Höhe von 1.758,89 Euro (vgl. anliegende Forderungsaufstellung Anlage 1)“ in acht monatlichen Raten zu je 200,- Euro und einer Schlußrate von 195,69 Euro, beginnend am 15.1.2005, zu zahlen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Gläubigerin unterzeichnete die Vereinbarung am 25.1.2005. Die Anlage besteht aus einem Forderungskonto, in das mit Datum des 21.12.2004 eine Einigungsgebühr nach dem RVG in Höhe von 127,50 Euro nebst Auslagenpauschale in Höhe von 20,- Euro eingebucht ist und das per 22.12.2004 einen Stand einschließlich Kosten und Zinsen in Höhe von 1.758,89 Euro aufweist (Bl. 27ff. d.A.).
Da die Schuldnerin keine Zahlungen leistete, beauftragte die Gläubigerin den Gerichtsvollzieher mit der Mobiliarvollstreckung. Der Gerichtsvollzieher zog am 28.2.2005 einen Betrag von 344,40 Euro und am 1.4.2005 weitere 1.293,70 Euro ein.
Gegenstand des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens ist die Weigerung des Gerichtsvollziehers, auch die von der Gläubigerin geltend gemachten Kosten der Ratenzahlungsvereinbarung gemäß § 788 ZPO mit einzuziehen.
Die Gläubigerin hat die Auffassung vertreten, diese Kosten stellten notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 788 ZPO dar; im übrigen habe die Schuldnerin diese Kosten in dem Ratenzahlungsvergleich ausdrücklich übernommen.
Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluß vom 6.10.2005, auf den wegen seiner Begründung Bezug genommen wird (Bl. 42f. d.A.), zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich die Gläubigerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie verfolgt das Erinnerungsbegehren, den Gerichtsvollzieher zur Einziehung der Kosten des Ratenzahlungsvergleichs anzuweisen, weiter. Wegen des Beschwerdevorbringens wird auf den Schriftsatz der Gläubigerin vom 31.10.2005, Bl. 54ff. d.A., Bezug genommen.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 793 ZPO statthaft, auch im übrigen zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.
Das Amtsgericht hat die Erinnerung zu Recht zurückgewiesen. Wegen der Kosten des Ratenzahlungsvergleichs kann aus dem Vollstreckungsbescheid vom 18.12.2003 nicht gemäß § 788 ZPO vollstreckt werden.
Nach Auffassung der Kammer ist die von der Gläubigerin geltend gemachte Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV-RVG) nebst Auslagenpauschale nicht erfallen. Die Ratenzahlungsvereinbarung beseitigte weder einen Streit noch eine Ungewißheit der Vertragschließenden über ein Rechtsverhältnis. Die Forderung der Gläubigerin war nicht mehr im Streit, da der Vollstreckungsbescheid vom 18.12.2003 in Rechtskraft erwachsen war. Soweit nahezu ein Jahr nach Zustellung des Titels und nach einem vergeblichen Versuch der Forderungspfändung überhaupt noch eine Ungewißheit über die fehlende Zahlungsbereitschaft der Schuldnerin bestand, ist diese jedenfalls durch deren schlichte Erklärung, die Forderung in Raten zu begleichen, nicht beseitigt worden.
Jedenfalls aber handelt es sich bei den Kosten der Ratenzahlungsvereinbarung nicht um Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 788 ZPO. Die Vorschrift des § 788 ZPO, in der von den Kosten der Zwangsvollstreckung die Rede ist, betrifft ihrem Wortsinn nach nur solche Aufwendungen, die unmittelbar zur Vorbereitung oder Durchführung der Vollstreckung entstanden sind (vgl. LG München Rpfleger 1998, 531; LG Münster DGVZ 1995, 168; AG Aachen DGVZ 1987, 62), wohingegen die Kosten einer nach rechtskräftigem Abschluß des Erkenntnisverfahrens geschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung allenfalls aus Anlaß der Zwangsvollstreckung angefallen sind. Denn der Abschluß einer Ratenzahlungsvereinbarung dient weder der Vorbereitung noch der Durchführung der Zwangsvollstreckung, sondern vielmehr der Vermeidung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen durch freiwillige Befriedigung des Gläubigers (vgl. die Beschlüsse der Kammer vom 22.01.1998 [4 T 843/98], 23.02.1999 [4 T 103/99] und 6.5.2002 [4 T 242/02]; vgl. auch LG München, a.a.O.; LG Münster, a.a.O.; LG Coburg DGVZ 1988, 75; AG Erkelenz DGVZ 1995, 175; AG Siegen, DGVZ 1991, 27; AG Aachen, a.a.O.; Kessel, DGVZ 2004, 179, 180). Der Gegenmeinung, nach der von § 788 ZPO auch diejenigen Kosten erfaßt werden, durch die eine weitere Vollstreckung vermieden wird (vgl. Lorenz DGVZ 1997, 129, 136 m.w.N.), schließt sich die Kammer nicht an. Der Einwand, daß anderenfalls die vom Gesetzgeber mit der Schaffung der Vorschrift des § 788 ZPO angestrebte Prozeßökonomie nicht erreicht werde, weil der Gläubiger zur Geltendmachung der Kosten einer Ratenzahlungsvereinbarung in einem gesonderten Verfahren gezwungen werde (so LG Darmstadt DGVZ 1995, 46; Lorenz, a.a.O.), rechtfertigt für sich allein keine extensive Anwendung des § 788 ZPO (vgl. LG Münster, a.a.O.). Auch ist nicht ohne weiteres zu befürchten, daß in diesem Fall der auch den Interessen des Schuldners Rechnung tragende Ratenzahlungsvergleich für einen Gläubiger erheblich an Attraktivität verlieren würde (so Lorenz, a.a.O.). Denn durch den Abschluß einer Ratenzahlungsvereinbarung erspart der Gläubiger sich, jedenfalls sofern der Schuldner die vereinbarten Zahlungen leistet, weitere, u.U. sogar mehrmalige Vollstreckungsversuche, die ebenfalls Kosten auslösen. Letztlich handelt es sich bei den Kosten eines Ratenzahlungsvergleichs auch nicht um notwendige Kosten im Sinne des § 788 ZPO, da der Gläubiger auch ohne den Abschluß des Vergleichs gegen den Schuldner vollstrecken kann (vgl. LG Essen DGVZ 1993, 56; AG Wiesbaden DGVZ 1994, 158; Ottersbach Rpfleger 1990, 283, 284). Aus diesem Grunde besteht für einen Gläubiger keine Notwendigkeit, die Entgegennahme etwa vom Schuldner angebotener Teilzahlungen auf eine titulierte Forderung davon abhängig zu machen, daß der Schuldner sich auf eine Vereinbarung über Ratenzahlungen einläßt.
Ob die Schuldnerin in der Ratenzahlungsvereinbarung vom 20.12.2004/
25.1.2005 eine materiell wirksame Verpflichtung zur Zahlung einer Einigungsgebühr nebst Auslagenpauschale übernommen hat, kann dahinstehen. Aus einer solchen Vereinbarung kann nicht unmittelbar die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Den Gerichten und Organen der Zwangsvollstreckung ist die Prüfung und Feststellung von materiellen Ansprüchen grundsätzlich versagt; dies bleibt dem Erkenntnisverfahren vorbehalten (vgl. BGH NJW 2003, 515, für die Prüfung des Schuldgrundes in den Fällen des § 850f Abs. 2 ZPO). Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die unmittelbare Eintreibung einer materiellen Kostenforderung einem praktischen Bedürfnis (auch) der Schuldnerin entspreche, weil dies für die Schuldnerin kostengünstig sei. Die Zwangsvollstreckung ist ein Eingriff der Staatsgewalt in grundrechtlich geschützte Eigentumsrechte der Schuldnerin. Sie setzt mit gutem Grund eine Titulierung des zu vollstreckenden Anspruchs in einem Verfahren voraus, das der Schuldnerin zumindest die Möglichkeit bietet, sich gegen ihre Inanspruchnahme zu verteidigen. Der Umstand, daß dies die Schuldnerin im Unterliegensfall Geld kostet, veranlaßt die Kammer nicht dazu, eine Zwangsvollstreckung ohne Titel zuzulassen. Ein denkbares Interesse der Schuldnerin an der Vermeidung weiterer Kosten kann nur von dieser selbst, etwa durch freiwillige Zahlung der Einigungsgebühr an die Gläubigerin, wahrgenommen werden, nicht aber durch einen Akt der Fürsorge (oder Bevormundung) der Gläubigerin oder der Gerichte und Organe der Zwangsvollstreckung.
Ob im vorliegenden Falle die materielle Einigung über die Kosten der Ratenzahlungsvereinbarung einer Prüfung am Maßstab des § 305c BGB standhält, braucht die Kammer daher letztlich nicht zu entscheiden. Die Ratenzahlungsvereinbarung selbst spricht nur von der Zahlung des „bis heute geschuldeten Betrages einschließlich Kosten“. Ob dieser Text die von der Gläubigerin für den Abschluß der Vereinbarung geforderten weiteren Kosten einschließt, ist zweifelhaft. Diese Kosten sind zwar in der Gesamtsumme enthalten, werden aber in der in Bezug genommenen Anlage ohne besondere Hervorhebung aufgeführt. Dies spricht dafür, daß die Gläubigerin die mit dem Abschluß der Ratenzahlungsvereinbarung verbundene Erhöhung der Gesamtforderung vor der Schuldnerin verstecken wollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.


Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO).
Beschwerdewert: 140,73 Euro :idea:
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Rund um den Teilzahlungsvergleich in der ZWV
-gesammelt-:

mehr Info dazu
http://5376.rapidforum.com/topic=100583103547
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Rund um den Teilzahlungsvergleich in der ZWV
-gesammelt-:

mehr Info dazu
http://5376.rapidforum.com/topic=100583103547
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Die Frage hat der BGH bereits am 24.01.2006 entschieden:

VII ZB 74/05
ZPO § 788 Abs 1 Zur Frage, ob die für den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung entstandene anwaltliche Vergleichsgebühr zu den notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung gehört.

Vielleicht ist von den Moderatoren trotzdem jemand so freundlich den Link hier einzustellen:
Leitzsatz: Die vom Schuldner übernommenen Kosten eines im ZWV geschlossenen Vergleichs sind danach wohl nunmehr regelmäßige notwendige Kosten der ZWV ...... ?
Anonymous

Ratenzahlungsvereinbarung/Einigungsgebühr Nr. 1000 VV-RVG

Beitrag von Anonymous »

Erstaunlich ist nachstehende Entscheidung des LG Tübingen vom 18.07.2005 (5 T 170/05):

Allein die Ungewissheit über die Erfolgsaussichten für Vollstreckungsmaßnahmen und die Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit des Schuldners lässt eine Einigungsgebühr entstehen, auch wenn kein Streit vorliegt. Dabei ist es nicht notwendig, daß der Schuldner die Ratenzahlungsvereinbarung persönlich geschlossen hat. Angefallene Einigungsgebühren sind notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Beim BGH sind noch zwei weitere Beschwerdeverfahren zu dem Themenkreis anhängig unter VII ZB 31/06 und VII ZB 42/06.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Bei der Entscheidung des LG Tübingen kann man wirklich nur den Kopf schütteln. Das zeigt wieder mal, dass der Einzelrichter beim LG nicht unbedingt qualifizierter ist als der Amtsrichter beim AG
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