Notwendige Kosten - bei Verhaftung

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Moderator: Petra Bausch

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Anonymous

Notwendige Kosten - bei Verhaftung

Beitrag von Anonymous »

Ein Kollegen hat in einem anderen Forum folgenden Sachverhalt
mitgeteilt.
Der Gl-V. überweist mir in einer Haftsache einen Kostenvorschuss zur zwangsweisen Türöffnung. Ich rufe den Schlüsseldienst an, nehme eine Zeugen mit und fahre zum Schuldner. Wie es der Teufel will, öffnet der Schuldner nach mehrfachem klopfen; ich nehme die EV ab.
Im Büro berechne ich eine Anfahrt für den Schlüsseldienst und entschädige den Zeugen mit pauschal EUR 20.-.
Meine Frau Prüfungsbeamtin teilt mir nun mit, dass es sich nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung handelt; der Zeuge sei nicht notwendig, da keine unmittelbare Gewaltanwendung gegen mich vorlag, und
der Schlüsseldienst sei sowieso nicht notwendig.

1.) M.E. hat die Prüfungsbeamtin den Kostenansatz nicht zu beanstanden weil sie nicht zu entscheiden hat, ob diese Vollstreckungs-Maßnahme notwendig oder geboten war.
2.) Nach einer Entscheidung des AG Berlin-Neukölln vom 7.8.1979
(34 M 7536/79)DGVZ: 12/79 S.190 handelt es sich um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung.
Lässt der GV zum Zwecke der Verhaftung des Sch. dessen Wohnung zwangsweise öffnen oder zieht er für den Transport des zu verhaftenden Sch ein fremdes Fahrzeug zu, so sind die Kosten für diese Massnahmen auch Kosten nach 788 ZPO, wenn der Sch nicht angetroffen wird. (oder wie in diesem Fall freiwillig öffnet........)
Theo Seip
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Beitrag von Theo Seip »

[Die dem Gerichtsvollzieher eingeräumte Selbstständigkeit bedingt, dass er jeweils eigenverantwortlich zu entscheiden hat, welche Maßnahme zur Erledigung eines Vollstreckungsauftrages geboten ist. Durch Dienstaufsichtsmaßnahmen im Kostenbereich darf nicht in einer Weise in seine Tätigkeit im Vollstreckungsbereich eingegriffen werden, die mit seiner Eigenverantwortlichkeit, relativen Selbständigkeit und seinem Kostenrisiko nicht zu vereinbvaren ist.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.4.1982
- BVerwG 2 C 43.80 -

abgedruckt in DGVZ 1982, S.155.

Zum Sachverhalt:
Der Bezirksrevisor hatte beanstandet, dass der Gerichtsvollzieher in seiner Kostenrechnung für 2 Versuche, eine Schuldnerin zu verhaften, 2 x 12.- DM Auslagen für ein von ihm angeheurtes fremdes Fahrzeug angesetzt hat. Gegen daraufhin ergangene Rückzahlungsanordnung des dienstaufsichtführenden Richters ist der Gerichtsvollzieher im Klagewege vorgegangen. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen (DGVZ 1979, S. 14); führte in der Revisionsinstanz aber zum Erfolg.

Siehe auch die gleichlautende Entscheidung des AG Berlin-Neuköln, DGVZ 1979, S. 190, das die Kosten der zwangsweise Wohnungsöffnung zum Zwecke der Verhaftung und die Kosten für die Zuziehung eines fremden Transportfahrzeuges auch dann für gerechtfertigt erklärt hat, wenn der Schuldner nicht angetroffen wird.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

es scheint aber, dass eine hohe Zahl an Prüfungsbeamten -oder solche die sich dafür halten, ohne den Befähigungsnachweis erbracht zu haben- diese BVerwG entweder nicht kennen oder verstehen wollen,
sonst würde man sich nicht in Kompetenzüberschreitung jeden Tag ein wenig mehr aus dem Fenster lehnen wollen - um dann irgendwann einmal richtig böse abzustürzen.

Das was zur Zeit so alles abläuft ist schon nicht mehr nachvollziehbar (so zB Prüfungsbeamtenprotokoll Brandenburg vom Jan 05 - da reicht Kopfdschütteln nicht mehr aus.

Danke Hr Seip f.d. Zitat, gf. glaubt man Ihnen die Existenz dieser Entscheidung.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Wie der betroffene Kollegen heute berichtet hat geht die Sache noch weiter.......
ZITAT: Heute nun erhalte ich von meiner Dame PB'in die Mitteilung, dass sie die Sache dem Bezirksrevisor zur Kenntnisnahme und "Entscheidung" vorgelegt hat.
"Ich halte den Ansatz von Anfahrtspauschalen für den Schlosser für nicht ansatzfähig.
Zu gegebener Zeit erhalten Sie weiteren Bescheid"
Mit freundlichen Grüßen
gez. Unterschrift


Ich vermute stark, die haben eine ganz andere GVO
Da werden jetzt tatsächlich die nach der Dienstprüfung erforderlichen Maßnahmen der Dienstaufsicht nicht durch den Dienstvorstand getroffen, sondern zwischen Prüfungsbeamten und Revisor abgestimmt. Diese "Neufassung" der gesetzlichen Regelung war mir bis heute unbekannt
Anonymous

Notwendige Kosten - bei Verhaftung

Beitrag von Anonymous »

Die von Herrn Kollegen Seip am 16.8.05 auszugsweise zitierte Entscheidung lautet in vollständiger Form - nach DGVZ 1982, 155 ff-

=Die dem Gerichtsvollzieher eingeräumte Selbständigkeit bedingt, daß er jeweils eigenverantwortlich zu entscheiden hat, welche Maßnahme zur Erledigung eines Vollstreckungsauftrages geboten ist. Durch Dienstaufsichtsmaßnahmen im Kostenbereich darf nicht in einer Weise in seine Tätigkeit im Vollstreckungsbereich eingegriffen werden, die mit seiner Eigenverantwortlichkeit, relativen Selbständigkeit und seinem Kostenrisiko nicht zu vereinbaren ist.
§§ 753,766 ZPO; § 35 GVKG; §§ 11, 96 GVO; § 6, 58 GVGA

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. 4. 1982 - BVerwG 2 C 43.80

Aus den Gründen:
Die Revision des Klägers (Gerichtsvollzieher) ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der die Klage abweisenden vorinstanzlichen Urteile. Die an den Kläger gerichtete Anordnung des Beklagten (Direktor des Amtsgerichts P.) die beanstandeten Transportkosten in Höhe von 24 DM zurückzuzahlen, ist rechtswidrig und ist deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, daß der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts und daraus, daß ein anderer Rechtsweg nicht in Betracht kommt (§ 17 GVG).
Abgesehen davon wäre der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten auch unabhängig von der bindenden Verweisung des Amtsgerichts gegeben gewesen, wie sich aus folgenden Erwägungen ergibt:
(Da die Ausführungen zur Zulässigkeit des Rechtswegs inhaltlich mit denen in der Entscheidung BVerwG 2 C 33.80 übereinstimmen, wird von deren Abdruck hier abgesehen und auf die Veröffentlichungen in diesem m Heft S. 151 ff. verwiesen.)

Mit Recht hat das Berufungsgericht auch entschieden, daß die Verfügung des aufsichtsführenden Richters des Amtsgerichts P. vom 11. September 1975 ein Verwaltungsakt ist. Sie beschränkt sich nicht auf eine innerbehördliche, die dienstliche Verrichtung des Klägers betreffende Maßnahme ohne unmittelbare Außenwirkung (vgl. BVerwGE 60,144 [146 f.]; Urteil vom 12. Februar 1981 - BVerwG 2 C 42.78 - [Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 21]). Sie beinhaltet zwar zunächst eine Minderung des Gebührenanspruchs des Staates und weist den Kläger an, die von der Schuldnerin gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 8 GVKostG für die Staatskasse erhobenen Auslagen für die Bereitstellung eines Fahrzeugs zurückzuzahlen, entscheidet jedoch gleichzeitig auch verbindlich über die dem Kläger zustehende Entschädigung für den Aufwand bei der Erledigung des Auftrages (§ 11 Nr. 2 GVO).
Die hiernach zulässige Anfechtungsklage ist auch begründet, obwohl der Kläger als Gerichtsvollzieher im Kostenbereich grundsätzlich verpflichtet ist, den Weisungen des Beklagten Folge zu leisten.
Der Kläger ist als Gerichtsvollzieher Beamter des beklagten Landes. Für ihn gelten grundsätzlich die Vorschriften des Beamtengesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesbeamtengesetz
LBG -), hier in der Fassung vom 10. Mai 1971 (GVOBl, S. 254 = § 67 Satz 1 LBG in der Fassung vom 10. Mai 1979 [GVOBl. S.301]). Gemäß §67 Satz 1 LBG, der die zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehörende Gehorsamspflicht (BVerfGR 9, 268 [286] konkretisiert, ist der Beamte verpflichtet, die von seinen Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen, sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist. Zu der inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 64 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Beamtengesetzes - BayBG - in der Fassung vom 9. November 1970 (GVBl. S. 569) hat der erkennende Senat im Urteil vom 29. April 1982 - BVerwG 2 C 33.80 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung vorgesehen) ausgeführt:

(Zur Vermeidung von Wiederholungen beim Abdruck wird auch an dieser Stelle auf die ebenfalls in diesem Heft veröffentlichte Entscheidung, insbes. auf die Ausführungen von S. 152 bis 5.154 verwiesen.)

Diese Ausführungen sind auch im vorliegenden Falle maßgebend.
Trotz der hiernach im Kostenbereich bestehenden Weisungsgebundenheit des Gerichtsvollziehers war der Kläger aber nicht verpflichtet, die von ihm für die Staatskasse erhobenen und ihm überlassenen Beförderungsauslagen von 24 DM auf Anordnung des Beklagten aus eigenen Mitteln zurückzuzahlen. Dabei kann offenbleiben, ob die ihr zugrundeliegende Rechtsauffassung zutreffend ist, d. h. ob Kosten für eine nur versuchte Beförderung einer Person gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 8. GVKostG als Auslagen nicht erhoben werden können (Schröder/Kay, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 6. Aufl., § 35 Anm. 10) oder ob unabhängig davon die beanstandeten Transportkosten aufgrund der konkreten Umstände des Falles nicht zu den notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung gehören (§ 788 Abs. 1 ZPO, § 91 ZPO, § 104 Abs. 1 Satz 3 GVGA), weil nicht mit einer Verhaftung der Schuldnerin zu rechnen war, wie das Berufungsgericht meint. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Pflichtenmahnung oder eine Weisung für spätere Fälle rechtmäßig gewesen wären, weil diese nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstreitverfahrens sind. Jedenfalls ist die mit der hier angefochtenen Weisung getroffene Entscheidung des Beklagten, dem Kläger die von ihm gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 8 GVKostG vereinnahmten Auslagen nicht gemäß § 11 Abs. 2 GVO als Entschädigung für den Aufwand bei Erledigung des
Auftrags zu überlassen und ihn mit den ihm entstandenen Kosten belastet zu lassen, beamtenrechtlich nicht gerechtfertigt.

Die dem Gerichtsvollzieher bei der Erledigung der einzelnen Vollstreckungsaufträge eingeräumte Selbständigkeit bedingt, daß er jeweils eigenverantwortlich zu entscheiden hat, ob er in Ausübung seiner Tätigkeit einen gesetzlich vorgesehenen kostenrechtlich relevanten Tatbestand schafft, der Auslagen verursacht, z. B. - wie hier bei einem Verhaftungsversuch - ein Transportmittel beizieht. Die für eine effektive Erledigung der Vollstreckungsaufträge gebotene Leistungsbereitschaft und Entscheidungsfreudigkeit, der im übrigen auch § 49 BBesG zu dienen bestrebt ist, führt dazu, daß ihn das finanzielle Risiko eines im Einzelfall entschuldbaren Fehlschlusses bei der Entscheidung der Frage, ob eine gesetzlich vorgesehene Auslage gerechtfertigt ist, nicht uneingeschränkt treffen darf. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß als Folge der Dienstaufsichtsmaßnahmen im Kostenbereich - nachträglich - in einer Weise in seine Tätigkeit als Gerichtsvollzieher im Vollstreckungsbereich eingegriffen werden könnte, die mit seiner Eigenverantwortlichkeit, relativen Selbständigkeit und seinem Kostenrisiko nicht zu vereinbaren wäre.
Eine sich aus diesen Gründen ergebende Beschränkung des finanziellen Risikos des Gerichtsvollziehers kann z. B. gerechtfertigt sein, wenn die Auslegung einer Rechtsvorschrift oder ihre Anwendbarkeit im konkreten Einzelfall nicht ganz eindeutig ist, keine herrschende Rechtsauffassung besteht und keine generellen Weisungen des Dienstherrn vorliegen (wie z. B. hinsichtlich des - allerdings anders gelagerten - Falles von Schreibauslagen vgl. Urteil vom 29. April 1982 - BVerwG 2 C 33.80 - [zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung bestimmt]). - Diesen Gesichtspunkten hat die Landesjustizverwaltung in § 11 Abs. 3 GVO im übrigen auch für Fallgestaltungen anderer Art Rechnung getragen. Hiernach sind dem Gerichtsvollzieher aus der Landeskasse mit Ausnahme der Wegegelder (§ 35 Abs. 1 Nr. 9 GVKostG) die Auslagen nach Nr. 2 zu erstatten, die ohne sein Verschulden nicht eingezogen werden können.

Ausgehend von diesen Erwägungen darf der Beklagte auch im vorliegenden Fall den Kläger nicht mit den von diesem verauslagten Beförderungskosten belastet lassen. Denn die Auslegung des § 35 Abs. 1 Nr. 8 GVKostG ist - wie das Urteil des Berufungsgerichts zeigt - nicht eindeutig, die vom Kläger vorgenommene ist jedenfalls vertretbar. Auch die - zu keiner Weisung des Dienstherrn im Widerspruch stehende - Annahme des Klägers, er habe zum dritten und vierten Verhaftungsversuch einen Fuhrunternehmer hinzuziehen dürfen, kann ihm bei dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt nicht mit der Folge vorgeworfen werden, daß er die Kosten der Hinzuziehung eines Fuhrunternehmers im Ergebnis selbst zu tragen hat.=

19.8.05WP
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

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