EV und nichteheliche Lebengemeinschaft

Informationen und Meinungsaustausch zur Mobiliarvollstreckung, zur Parteizustellung und zum Kostenwesen.

Moderator: Petra Bausch

Antworten
Anonymous

EV und nichteheliche Lebengemeinschaft

Beitrag von Anonymous »

Folgender Fall:
Die Schuldner lebt mit drei Kindern in der Wohnung des Lebensgefährten, der sie außerdem unterstützt, weil sie nur € 190.- monatlich Arbeitslosengeld/Hilfe bezieht.
Der Glbg.-Vertr. begehrt nun im Wege der Nachbesserung zu wissen, wie groß die Wohnung ist und in welchem Umfang sie sich bei der Führung des Haushalts beteiligt.


Dazu habe ich folgende Abhandlungen gefunden:
Haushaltsführung in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Falls der Schuldner von seinem Lebensgefährten (mit-) unterhalten wird, sind folgende Fragen zu stellen: Name und Anschrift; Art und Umfang der Tätigkeiten (welche Leistungen erbringt der Schuldner wie Haushaltsführung etc. und Umfang/ Wochenstunden für seinen Lebensgefährten? Größe des Haushalts? Wieviel kostet die gemeinsam genutzte Wohnung, wie groß ist der vom Schuldner genutzte Teil der Wohnung und/oder welchem Anteil an der Gesamtwohnung entspricht der vom Schuldner genutzte Anteil; Kostenersparnis: welche Kosten erspart der Schuldner seinem Lebensgefährten durch diese Leistungen, die er für diesen erbringt. Wie teuer wäre eine dritte Person (Haushaltshilfe) wenn diese die gleichen Leistungen erbringen müsste? UNZULÄSSIG ist die Frage nach dem Verdienst des nichtehelichen Lebensgefährten.
DGVZ: 97/S.152
Gericht: LG HANNOVER AZ: 11 T 142/97
Datum: Beschl. vom 23.7.97
Gibt der Schuldner im Vermögensverzeichnis an, er sei ohne Arbeit und werde von seiner Lebensgefährtin unterhalten, so ist er verpflichtet nähere Angaben darüber zu machen, ob und in welchem Umfange er sich an der Haushaltsführung beteiligt, damit geprüft werden kann, ob ein verschleiertes Arbeitseinkommen als pfändbarer Vermögenswert zur Verfügung steht.

DGVZ: 00/S. 119
Gericht: LG BONN AZ: 4 T 126/2000
Datum: Beschl. vom 7.3.2000
Ein Schuldner, der im Vermögensverzeichnis angibt, er sei ohne Einkommen und wohne bei seiner Freundin, die auch seinen Lebensunterhalt bestreite, hat darüber so erschöpfend Auskunft zu geben, dass der Gläubiger prüfen kann, ob nicht etwa ein verschleiertes Arbeitsverhältnis vorliegt.

Für die Zulässigkeit einzelner Fragen ist von § 807 ZPO auszugehen. Danach ist das gegenwärtige (vgl. zur Ausnahme: § 807 I 2 ZPO) aktive Vermögen des Schuldners Gegenstand der Befragung (vgl. Kammer MDR 1992, 808; Einzelheiten zum Umfang dieses Fragerechts: Stöber, Rpfleger 1994, 321).
Insbesondere kann der Gläubiger nicht verlangen, daß dem Schuldner alle Fragen vorzulegen sind, "welche der Aufhellung des Vermögens, der Erwerbsquellen und der Lebensumstände des Schuldners generell dienen" (so der Leitsatz 1 des LG Göttingen, NJW 1994, 1164). Völlig zu Recht sind Hintzen (Rpfleger 1994, 368) und Stöber (Rpfleger 1994, 321) der Auffassung, daß ein solch weitreichendes Fragerecht von § 807 I ZPO nicht gedeckt ist und letztendlich zu einer völligen Ausforschung des Schuldners führt. Zwar verweist Heim (NJW 1994, 1108) zutreffend auf Defizite im Vollstreckungsverfahren. Dies kann aber nicht dazu führen, daß ein extensives, vom Gesetz nicht gewolltes und auch nicht gestattetes Ausforschungsinstrument engegen § 807 I 1 ZPO geschaffen wird.
Ich persönlich bin der Ansicht dass im vorliegenden Fall kein Rechtsschutzbedürfnis für die Fragen besteht. Die Leistungen der Schuldnerin bei der Führung des gemeinsamen Haushalts
ereichen mit Sicherheit nicht die Pfändungsfreigrenze.
Es ist davon auszugehen, dass im Hinblick auf das geringe Einkommen der Schuldnerin der überwiegende Teil der Kosten für Unterkunft und Unterhalt vom Lebensgefährten bestritten wird.
Die Schuldnerin hat für die Haushaltsführung demnach keine
Vergütung zu beanspruchen die im pfändbaren Bereich liegt.

Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Nachdem sich die Moderatoren dieses Forums bedauerlicherweise nicht geäußert haben, freue ich mich, dass ich wenigstens von Herrn Bez.Rev. Bernd Winterstein eine ausführliche Antwort erhalten habe.
Ich bin völlig Ihrer Meinung und habe Ihnen nachfolgend auch eine Entscheidung des LG Memmingen, Rpfleger 1997, 175:

"Ein Gl. hat keinen Anspruch darauf, daß ihm Namen und vollständige Anschrift eines Lebensgefährten, der einen Sch. angeblich freiwillig unterstützt, genannt werden. Gegen einen Lebensgefährten hat ein Sch. keinerlei gesetzliche Unterhaltsansprüche. Dies ist einhellige Meinung (vgl. Palandt/ Diederichsen, BGB, 55. Aufl., Einl. vor § 1297 Rn. 13, 15) und wird auch in den vom Bf. zitierten Beschlüssen (vgl. LG Münster JurBüro 1995,328; AG Bocholt JurBüro 1994,405; LG Frankenthal JurBüro 1994,409) so gesehen. Damit sind unter diesem rechtlichen Aspekt Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten eines Gl. gegen einen Lebensgefährten undenkbar, so daß auch ein Auskunftsanspruch ausscheidet.

Aber auch unter dem Gesichtspunkt eines verschleierten Arbeitseinkommens gem. § 850 h ZPO ist kein Anspruch auf eine Ergänzung der eidstV gegeben.

Soweit sich der Bf. auf die Beschlüsse des LG Heilbronn (Rpfleger 1992,359 und des LG München I Rpfleger 1988,491) bezieht, lagen die Sachverhalte deutlich anders. In beiden entschiedenen Fällen hatte der Sch. jeweils angegeben, bestimmte Arbeitsleistungen zu erbringen und dafür bestimmte Entgelte zu erhalten. Daran fehlt es hier. Weiterhin sind im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch einen nicht berufstätigen Partner erbrachte Leistungen zur Haushaltsführung und/oder Kinderbetreuung nach Auffassung der Kammer entgegen anderslautender Rechtsprechung (vgl. die oben zitierten Beschlüsse des LG Münster usw.) kein verschleiertes Arbeitseinkommen.

Unter einem verschleierten Arbeitseinkommen wird regelmäßig verstanden, daß eine Person für eine andere fortlaufend Arbeitsleistungen erbringt, für die ein Dritter bezahlt werden müßte, und daß er für diese Leistungen kein oder jedenfalls kein vollständiges Entgelt erhält (vgl. Zimmermann, ZPO, 4. Aufl., § 850 h Rn. 3). Wesentliches Kennzeichen eines Arbeitsverhältnisses ist die Unterordnung der einen Seite unter die Anweisungen der anderen.

Wesentliches Kennzeichen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist hingegen gerade die rechtliche Unverbindlichkeit der dort eingegangenen Beziehung. Somit fehlt es, wenn ein Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft - rechtlich gesehen freiwillig, gleichgeordnet und unverbindlich - den Haushalt des anderen führt und/oder dessen Kinder betreut, an den für ein Arbeitsverhältnis charakteristischen Merkmalen. Auf die Gegenleistungen, die er entweder in Naturalien (Unterkunft, Essen) oder auch in bar erhält, hat er - anders als beim Arbeitsentgelt - keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch. Dies erweist sich insbesondere auch daraus, daß diesem Partner nach einer Beendigung der Lebensgemeinschaft für seine Dienste auch nachträgliche Ausgleichsansprüche nach ständiger Rechtsprechung versagt werden (vgl. Palandt Einl. vor § 1297 Rn. 17; § 705 Rn. 32).

Der von der Kammer vertretenen Auffassung steht auch weiter nicht entgegen, daß im Rahmen des Familienrechts entschieden wird (vgl. Palandt § 1577 Rn. 5), die Haushaltsführung im Rahmen einer neuen Lebensgemeinschaft sei auf den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten anzurechnen. Diese Rechtsprechung beruht letztlich darauf, daß ein geschiedener oder getrennt lebender Ehegatte, der derartige Leistungen erbringt, regelmäßig in entsprechendem Umfang eigenen Erwerb unterläßt und damit einer Obliegenheit gegenüber dem Unterhaltspflichtigen zuwiderhandelt. Die Rechtsprechung geht aber gerade nicht davon aus, daß diese Person entsprechendes Einkommen tatsächlich erzielt. Gerade der Umstand des "tatsächlichen Erzielens" kennzeichnet aber ein verschlechtertes Arbeitseinkommen, so daß derartige Verhaltensweisen - anders als bei familienrechtlichem Unterhalt - in der ZwV ohne Bedeutung bleiben. Mit anderen Worten ausgedrückt: Ein Sch., der es, wenn auch böswillig, unterläßt, Einkommen zu erzielen, kann deshalb noch lange nicht gepfändet werden.
Schließlich steht auch die Zurechnung von Partnereinkommen im Rahmen von Sozialleistungen zur Entscheidung der Kammer nicht im Widerspruch. Diese Rechtsprechung verneint regelmäßig nur eine entsprechende Bedürftigkeit aufgrund tatsächlicher Verhältnisse, nimmt den Betroffenen aber nichts weg."
Antworten