Räumung einer Behinderten

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Moderator: Petra Bausch

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Anonymous

Räumung einer Behinderten

Beitrag von Anonymous »

Hallo!

Ich habe im März einen neuen Bezirk übernommen. Dabei wurde mir ein Räumungsauftrag vom Kollegen mit bereits erhobenen Vorschuss übergeben. Vollstreckt wird aufgrund eines Zuschlagsbeschlusses.

Ich habe daraufhin die Schuldnerin aufgesucht. Dabei stellte sich heraus, dass diese anscheinend mit 80% behindert ist. Sie ist zwar geistig fit, aber körperlich stark eingeschränkt. Aufgrund ihrer Schädigung können anscheinend bei Belastungen Erstickungsanfälle ausgelöst werden. Ein ärztliches Attest wurde mir keines vorgelegt, da ihr Anwalt sich um Räumungsschutz kümmern würde.

Ich habe daraufhin Termin auf 20.4. bestimmt. Es wurden extra fünf Wochen Spielraum gelassen, so dass der RA das Notwendige veranlassen konnte. Die 2-Wochen-Frist ist am Mittwoch abgelaufen gewesen. Der Anwalt hat laut AG diese Woche statt eines Räumungsschutzes eine Vollstreckungsabwehrklage mit einstw. Einstellung der Räumung gestellt!

Bei der Obdachlosenbehörde hat sich die Schuldnerin oder ihr Anwalt nicht gemeldet, so dass diese nur eine Unterkunft in einem Obdachlosenheim bekommen würde.

Die Schuldnerin hat bei mir angerufen und mir angedroht, dass bei Durchführung der Räumung sie durch ihre Gesundheitsgefährdung sterben werde. Ich könne auch gleich vorbeikommen und sie mit der Pistole erschießen. Dann kann ich auch gleich ihre Beerdigung mitorganisieren.

Meiner Meinung nach kann ich die Räumung so nicht durchführen. Denn sollte der Schuldnerin dann etwas passieren, so hätte ich natürlich große Probleme. Ich bin zumindest der Meinung, dass ich ein amtsärztliches Attest benötige, dass mir die Räumungsfähigkeit der Schuldnerin bescheinigt. Bis nächste Woche kann ich den Termin noch ohne Bereitsstellugskosten absagen.

Da ich noch nicht so lange dabei bin und daher noch keine langen Erfahrungswerte habe, hoffe ich dass mir hier jemand ein paar Tips geben kann. Meine Kollegen und früheren Ausbilder konnten mir nicht viel weiterhelfen.

Im Voraus besten Dank!
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Das mit dem Attest können Sie getrost vergessen. Es wäre Sache der Schuldnerin ein enstprechendes Attest vorzulegen. Die Lösung des Problems liegt in § 113 GVGA zumindest um eine Woche aufschieben, bis das Gericht über den Antrag des Sch.-Vertr. entschieden hat. Ich würde das jedoch nur machen, wenn die Verlegung des Termins ohne Bereitstellungskosten zu machen ist.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Meines Erachtens liegen die Voraussetzungen des § 113 GVGA nicht vor. Es ist kein Antrag nach § 765a ZPO gestellt. Außerdem: wenn dem Gerichtsvollzieher glaubhaft gemacht wird, daß
b) es dem Schuldner nicht möglich war, das Vollstreckungsgericht rechtzeitig anzurufen.
Das wäre bei dem geschilderten Zeitablauf wohl nicht möglich.

Räumungsschutz gemäß § 765a ZPO wäre nur bei Vorlage eines entsprechend detailierten Attests gewährt worden, woraus sich ergeben hätte a) eine lebensbedrohliche Erkrankung der Schulderin oder b) das Entstehen eines solchen Zustandes durch die Räumung. Es ist auch nicht dem Gerichtsvollzieher überlassen, aus derartigen Gründen dauerhaft von einer Räumung abzusehen. Dafür gibt es gerade § 765a ZPO.

Es wird wahrscheinlich auch seinen Grund haben, dass eine anwaltlich vertrtetene Schuldnerin keinen Antrag gemäß § 765a ZPO stellt und ein Attest vorlegt.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Nachtrag:

Es wurden mir zwischenzeitlich von der Schuldnerin endlich zwei aktuelle ärztliche Atteste (von 2 verschiedenen Ärzten), wobei beide klar und deutlich aussagen, dass bei einer Räumung eine lebensbedrohliche Situation entstehen kann und die Schuldnerin auf gar keinen Fall räumungsfähig ist.

Die Schuldnerin hat einen Genickbruch überlebt, welcher mit Schrauben und Platten fixiert wurde. Die Schrauben haben sich gelöst, so dass jede falsche Bewegung mit dem Kopf lebensbedrohliche Folgen haben kann.

Also soviel zum Thema, dass die Schuldnerin eventuell irgendwas vorgegaukelt hat.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

1.) Räumungsschutz nur auf Antrag.
Räumungsschutz nach § 765 a ZPO kann bekanntlich n u r auf Antrag des Schuldners gewährt werden ( siehe Wortlaut des § 765 a ZPO. Dem Schuldner steht es also frei ob er den Schutz
in Anspruch nimmt oder nicht. Sieht der Schuldner von dem Schutz ab, so nimmt er das Risiko in Kauf, vgl. Zöller, 24.Aufl., Rn. 19 zu § 765 a ZPO mit Hinweis auf d. Entscheidung d. Bundesverfassungsgerichts.
2.) Eine Aufschiebung durch den GV kommt nur unter den Voraussetzungen des § 765 a Abs. 2 ZPO in Betracht:
siehe Wortlaut! : " bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts ...., wenn .... u n d dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts n i c h t möglich war.
Antrag ist jedes aus Erklärungen des Schuldners für das Gericht erkennbare Begehren um Schutz ( vgl. Zöller, 24. Aufl. Rn. 19 mit weiterer Begründung und Nachweisen. ).
Das Vorbringen des Schuldners mit Vorlage der ärztlichen Atteste ist möglicherweise als ein solcher Antrag auslegbar.
Ist Vorlage an das Vollstreckungsgericht zur Prüfung ob Antrag nach § 765a ZPO in diesem Vorbringen zu sehen ist bereits erfolgt.

3.) In der Sache selbst hat sich das Bundesverfassungsgericht bereits sehr häufig mit den von Ihnen geschilderten Sachverhalten auseinandergesetzt . Diese Entscheidungen sind in jedem ZPOkommentar zu § 765 a ZPO zitiert
(vgl. z.B BvR 1002/01 Beschluß vom 16.8.01 o. NJW 1998,295, NJW 1994, 1719 ff. , 1 BvR 672/98 usw. vgl. Zöller, Rn. 11 zu
§ 765 a ZPO. ).

Im übrigen wird Ihnen Ihr Prüfungsbeamter sicherlich mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn Sie noch neu sind und noch nicht so häufig mit derartigen Räumungsproblemen zu tun hatten. Das halte ich selbst für eine absolute Selbstverständlichkeit. Da kann man einen jungen Kollegen nicht im Regen stehen lassen.
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Als Grundsatz gilt:
wenn ordnungsgem. Termin bestimmt und zugestellt ist, ist Einstellung nur dann angezeigt, wenn der Schuldner rechtzeitig auch Räumungsschutzantrag gestellt hat. Stellt das Gericht daraufhin nicht ein - Räumen.

Nur die absolute Ausnahme seit der 2. ZPO Novelle kann dann die befristete Ausnahmeeinstellung des GV sein.

mehr dazu:
http://5376.rapidforum.com/topic=100883257803
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