§ 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bei GmbH´s

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Moderator: Petra Bausch

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Anonymous

§ 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bei GmbH´s

Beitrag von Anonymous »

Wie sieht es aus mit dem Pfändungsschutz bei Ein-Mann GmbH´s? Konkreter Fall: Transportunternehmer mit einem Aushilfsfahrer, 2 LKW´s und 2 Sattelaufliegern. Wer kennt Rechtsprechung hierzu?
Anonymous

Pfändungsschutz § 811 I 5 ZPO bei GmbH anwendbar?

Beitrag von Anonymous »

§ 811 I 5 ZPO schütz den Erwerb durch persönliche Arbeit und Personen in abhängiger Arbeit.

AG Steinfurt, Beschluß vom 7. Juli 1988, Az: 12 M 1356/88
ZPO § 811 Nr 5, GVollzGA § 121, HGB § 1
ZPO § 811 Nr 5

Orientierungssatz

1. Die Zwangsvollstreckung in einen für die Buchhaltung verwendeten Computer einer GmbH ist zulässig. Die Pfändungsschutzvorschrift des ZPO § 811 Nr 5 greift nicht ein. Sie ist nur auf natürliche Personen anwendbar. Darüberhinaus gehören Kaufleute im Sinne des HGB § 1 grundsätzlich nicht zum geschützen Personenkreis, denn sie ziehen ihren Erwerb im wesentlichen aus Warenumsatz.

2. Ferner kann die Schuldnerin die gesamte Software auf eine Diskette oder auf eine Wechselplatte überspielen und sichern, so daß die aufgezeichneten Geschäftsbücher und Geschäftspapiere jederzeit verfügbar sind.
Fundstellen
DGVZ 1990, 62-63 (red. Leitsatz und Gründe)
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

für die Ein-Mann-GmbH gibt es -obwohl es sich auch um eine jur Person handelt- Ausnahmen dahingehend, dass auch dann 811 anzuwenden ist.


hierzu:

811 Pfändungsschutz bei GMBH


(seip in gv2000.de) Ganz so einfach ist es nicht. Ausführungen zu dieser Frage finden sich in der Abhandlung von App in DGVZ 1985, S. 97 ff. sowie bei Winterstein , DGVZ 1991, S. 17 ff. Es kommt immer auf den Einzelfall an, wie die Entscheidung des AG Düsseldorf, DGVZ 1991, S. 175, zeigt.

Dazu Paschold
ZPO § 811 I 5 bei einer GmbH?

Dem Fall des AG Düsseldorf (DGVZ 1991, 175) lag die Pfändung einer Computeranlage bei einer GmbH zugrunde. Die Pfändung wurde bejaht, gleichwohl aber eine Ausnahme von der generellen Pfändbarkeit gesehen, wenn der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer sich für seine persönliche Tätigkeit der Rechtsform der GmbH bedient.

Zöller, ZPO, 23. Aufl., 2003, Rdn. 26 ist unter Bezugnahme auf Stein/J/Münzberg Rdn. 43 der gleichen Ansicht und führt darüber hinaus die Fälle auf, bei denen alle Gesellschafter einer oHG (auch KG oder BGB-Gesellschaft, AG Bersenbrück DGVZ 1992, 78) ihren Erwerb aus körperlicher Arbeit im Gewerbetrieb der oHG ziehen (Oldenburg NJW 64, 505).

Umgekehrt kann es keine Ausnahme von der Pfändung geben, wenn z. B. Eigentumsvorbehalt besteht. Insofern bestimmt § 121 Nr. 2 GVGA folgendes (siehe auch § 811 Absatz 2 ZPO):

“Die in Nr. 1 Buchst. a, d, f, g und h bezeichneten Sachen kann der Gerichtsvollzieher dann pfänden, wenn
a) der Vorbehaltsverkäufer wegen der durch Eigentumsvorbehalt gesicherten Kaufpreisforderung aus dem Verkauf der zu pfändenden Sache vollstreckt und auf die Pfändbarkeit hinweist,
b- c (…)
Soweit sich der Nachweis des einfachen oder weitergegebenen einfachen Eigentumsvorbehalts nicht aus dem zu vollstreckenden Titel ergibt, kommen als Nachweis auch andere Urkunden (§ 416 ZPO), insbesondere der Kaufvertrag, in Betracht.”


Bezirksrevisor Bernd Winterstein, AG Augsburg, beschäftigte sich in DGVZ 1991, 17 ff mit dem Pfändungsschutz einer GmbH wie folgt:

“Einen Schutz nach § 811 Ziff. 5 (Gegenstände zur Fortführung der Erwerbstätigkeit) genießt die GmbH grundsätzlich nicht, da eine juristische Person keine persönliche Tätigkeit entfalten kann. Eine Ausnahme hierzu stellt die sogenannte Ein-Mann-GmbH (= nur ein Gesellschafter) dar. Wenn hier die persönliche Leistung des einzigen Gesellschafters gegenüber dem Warenumsatz überwiegt, so ist § 811 Nr. 5 ZPO anwendbar (s. App in DGVZ 1985/97 m. w. N., LG Berlin DGVZ 1987/173, OLG Hamburg im Fall einer KG in DGVZ 1984/57).
Anzuwendenden ist dagegen selbstverständlich bei der GmbH, wie auch bei den anderen Gesellschaften der § 811 Nr. 11 ZPO, da hier die Einschränkung der Nr. 5 nicht vorliegt. Danach sind die Geschäftsbücher der GmbH nicht pfändbar, soweit nicht ohnehin § 803 Abs. 2 ZPO zutrifft. “ (...)

Nach LG Augsburg (DGVZ 1997, 27 ff) ist jeweils auf den konkreten Einzelfall abzustellen; die zahlreiche Rechtsprechung sei nur begrenzt heranziehbar.





Aus den Gründen zu AG Düsseldorf DGVZ 1991 Nr 11 S 175

Geschützt werden nur PERSONEN, die durch persönliche Arbeit ihren Erwerb bestreiten. Eine GmbH gehört GRUNDSÄTZLICH nicht zum geschützten Personenkreis. Der Ausnahmetatbestand (Anmerkung: und dann immer nur einer der besonderen Einzelprüfung unter Beachtung aktueller Rechtslage und aktueller Rechtsprechung – Winterstein & App sind nicht mehr absolut aktuell) ist dann nicht gegeben, wenn die GmbH Mitarbeiter hat, weil für den Geschäftsbetrieb (der GmbH9 die Kapitalnjutzung und der Einsatz der Angestellten von Bedeutung ist. Insoweit tritt dann die persönliche Tätigkeit des GeschF dahinter zurück.

Klare Feststellung JurBüro 2.94 S 67 Prof Behr

Kein Pfändungsschutz f. fremde Gegenstände § 811 I5
Schutzbereich der Vorschrift ist nicht die Sicherung des Familieneinkommens. Die Vorschrift betrifft sowohl vom Sinn und Wortlaut her nur Gegenstände, die der Schuldner selbst zur Fortführung seiner eigenen Erwerbstätigkeit benötigt.
LG Augsburg 5 T 3477.02 in InVo 7/2008 S 292
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Der Gerichtsvollzieherberuf wäre auch langweilig, wenn es immer so einfach wäre.

Nach meiner Auffassung gehören Juristische Personen (hier: GmbH) als solche nicht zu dem geschützten Personenkreis des § 811 Nr. 5 ZPO.
§ 811 Nr. 5 ZPO schützt nach dem Gesetzestext die (natürlichen) Personen.
Anders § 811 Nr. 11 ZPO. Hier unterliegen auch die Geschäftsbücher einer juristischen Person dem Pfändungsschutz.
Bei einer Befürwortung der Pfändungsschutzbestimmung würden m.E. zwei verschiedenen Rechtsträger, nämlich bei der Mobiliarvollstreckung die juristische als auch die natürliche Person gleichgestellt.

-AG Steinfurt, Beschluß vom 7. Juli 1988, Az: 12 M 1356/88
-Thüringer Finanzgericht 1. Senat, Beschluß vom 23. Januar 1997, Az: I 22/97 V
-AG Düsseldorf, Beschluß vom 1. März 1991, Az: 64 M 6644/90


In der Entscheidung des BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 16. 10. 2003, Az: IX ZR 55/02 setzt sich das Gericht mit der Drittwiderspruchsklage einer Gesellschaft bei Pfändung eines im Besitz des Alleingesellschafters/Geschäftsführers stehenden Gegenstandes auseinander. Hier hat sich der BGH zu Recht gegen die rechtliche Gleichsetzung der GmbH und ihres Alleingesellschafters gewendet.

Der BGH kommt auch zu dem Ergebnis das für Gesellschaftsschulden der Ein-Mann-GmbH nur die GmbH mit ihrem Vermögen (§ 13 Abs. 2 GmbH G) für persönliche Schulden allein der Gesellschafter selbst haftet.


GmbH und Alleingesellschafter sind nicht nur selbständige, voneinander grundsätzlich unabhängige Rechtsträger, sie verfügen auch über gesonderte Vermögensmassen, die unterschiedlichen Gläubigern haften (vgl. BGHZ 68, 312, 314 sowie zur Haftung des Alleingesellschafters bei existenzvernichtendem Eingriff in die GmbH BGHZ 149, 10; 151, 181). Schon deshalb muß die GmbH in der Lage sein, Eingriffe von persönlichen Gläubigern ihres Gesellschafters in ihr Vermögen mit der Drittwiderspruchsklage abzuwehren. Auch im Verhältnis zwischen Ein-Mann-GmbH und Alleingesellschafter kommt es auf die rechtliche Zuordnung der einzelnen Gegenstände an (MünchKomm-ZPO/K. Schmidt, aaO § 771 Rn. 50; Musielak/Lackmann, ZPO 3. Aufl. § 771 Rn. 30; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht 10. Aufl. S. 500 f; Stein/Jonas/Münzberg, aaO Rn. 17 mit Fn. 112; Wilhelm NJW 1977, 1887

Juristische Personen haben selbst den unmittelbaren Besitz inne, der durch die Geschäftsführungsorgane oder andere verfassungsmäßig berufene Vertreter ausgeübt wird (Organbesitz). Hierbei handelt es sich um eine Besitzdienerschaft. In der zwischenzeitlich herrschenden Meinung wurde geklärt, dass juristische Personen nicht direkt über Organe unmittelbar besitzen, sondern der juristischen Person wird der Besitz ihrer Organe zugerechnet.
Das Organ soll in dem ihm zugewiesenen Aufgabenbereich tätig sein, damit der Organbesitz begründet wird.


Der Gerichtsvollzieher sollte die Prüfung gem. § 750 ZPO vornehmen und bei der Pfändung die Gewahrsamsfrage (§ 808 ZPO / §§ 1006, 854 BGB) beachten.
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